Neues von Peaches, Haruki Murakami und Zackiboy

Flucht in die Zeitschleife

Popkolumne. Die »Teaches of Peaches« auf der Berlinale. Und: Haruki Murakami ist nicht der Einzige, der Ideen recycelt.
Die Summens Von

Starke Nineties-Feelings überall! Der Vorverkauf für die Breeders-Tour hat begonnen, Air spielen »Moon Safari« live und junge Menschen demon­s­trieren in Buffalo Boots gegen Nazis.

Sehr witzig ist das erste Album von Zackiboy, dem Indie-Nerd der Gen X, der sich in der Tiktok-Meme-Welt der Gegenwart verirrt hat. Zehn Miniaturen, jeweils eine Minute lang, die alle zum selben Klavierthema vorge­tragen werden: »Das schöne Album« mit schönen Titeln wie »Saufen ist schön«, »Kaufen ist schön« oder »Deine Augen sind schön«. Unser Leben gefangen in kleinen Loops. Die jungen Leute sagen auch Reel dazu.

In seiner ganz persönlichen Zeitschleife scheint auch Haruki Mu­rakami festzustecken. Sein neuester Roman »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer« basiert auf einer Kurzgeschichte aus dem Jahr 1980. Doch die Grundidee blieb ihm »wie eine ­Gräte im Hals« stecken. Mit 75 hat er den Stoff deshalb noch einmal in eine ­andere Form gebracht.

Die Neun­ziger waren vorgestern, aber Rassismus hat leider die Zeit überdauert.

Der merkwürdige Roman, auf den man sich erst einmal einlassen muss, ist die perfekte Bettlektüre, wenn abends die Dunkelheit hereingebrochen ist und man nur noch der ­Wirklichkeit entfliehen möchte. Es geht um ein Mädchen, dessen »wahres Ich« in einer zeitlosen Stadt gefangen ist, und einen Mann, der seiner Jugendliebe dorthin folgt und »Traumleser« wird. Seinen gran­diosen Schatten muss er allerdings an der Eingangspforte abgeben. ­Erfrierende Einhörner muss er auch ertragen! Nach seiner Flucht wird er Bibliothekar in der Provinz. Leider ist sein sympathischer neuer Chef eigentlich schon tot. Wer glaubt, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schul­weisheit sich träumen lässt, der kann dem nieselpetrigen Winter mit ­diesem Buch ein Schnippchen ­schlagen.

Für die Rückkehr in die Wirk­lichkeit empfehlen wir, sich auf der ­Berlinale den Dokumentarfilm »Teaches of Peaches« über die kanadische Ausnahmekünstlerin Peaches anzuschauen, der einen Bogen von ihren Anfängen bis zu ihrer Tour von 2022 spannt.

Oder das Coming-of-Age-Drama »Ellbogen« aus der Sektion Genera­tion 14plus. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Fatma Aydemir erzählt von einer jungen Deutschtürkin aus dem Wedding, der überall die Türen vor der Nase zu­geschlagen werden. Wohin mit der Wut? Nach einem tödlichen Befreiungsschlag sieht sie sich gezwungen, nach Istanbul zu fliehen. Die Neun­ziger waren vorgestern, aber Rassismus hat leider die Zeit überdauert.