Die Deutsche Islamkonferenz vermeidet weiterhin unbequeme Themen

Auf Kuschelkurs mit dem politischen Islam

Die Deutsche Islamkonferenz hat es auch diesmal geschafft, jene Themen auszuklammern, die den konservativ-orthodoxen Islamvertretern unangenehm wären. Dazu gehören der Islamismus, aber auch der türkische Präsidentschafts­wahlkampf in den Moscheen.
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Als am Mittwoch vergangener Woche die fünfte Phase der Deutschen Islamkonferenz (DIK) mit einer Auftaktveranstaltung eröffnet ­wurde, war zweierlei neu: Zum einen wird die DIK nun erstmals seit ihrer Gründung im Jahr 2006 von einer Frau geleitet und zum anderen kommt sie nicht aus der CDU, sondern aus der SPD: Innenministerin Nancy Faeser. Ansonsten aber ist vieles beim Alten geblieben, wie nicht nur der Psychologe und Autor Ahmad Mansour befand. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb er: »Eingeladen sind die üblichen Verdächtigen. Eine Bühne bekommen fast nur diejenigen, die die Agenda der Bundesinnenministerin unterstützen.«

Mit am Tisch sitzen weiterhin Organisationen wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), dessen größter Mitgliedsverband die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (Atib) bildet, die den rechtsextremen Grauen Wölfen zuzurechnen ist. Auch das vom iranischen Regime gesteuerte Islamische Zen­trum Hamburg, dessen Verbot ins Auge zu fassen kürzlich eine große Mehrheit des Bundestags forderte, gehört dem ZMD an. Ebenfalls zu den Konferenzteilnehmern zählt nach wie vor die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Sie untersteht der Leitung und Kontrolle des türkischen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten, das wiederum Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan direkt unterstellt ist.

Themen, die diesen Vertretern des konservativ-orthodoxen Islam unangenehm sein könnten, werden auch jetzt wieder vermieden. Dazu gehört etwa der Islamismus, zu dessen Erforschung Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer einen Arbeitskreis im Innenministerium eingerichtet hatte, der von Faeser jedoch unlängst aufgelöst wurde, weil sie keinen Bedarf dafür sah. Und das, obwohl man zu wenig »über Geldflüsse, Hintermänner, Unterstützer und die Verbreitung islamistischer Inhalte in Moscheen und Organisationen, die Kooperationspartner der Regierung bleiben«, weiß, wie 13 Autoren, darunter neben einigen Unionspolitikern auch verschiedene Islamforscher, in einem gemeinsamen Text in der FAZ schrieben. Wer sich »publikumswirksam über Gewalt gegen Frauen und Homosexuelle in Katar« empöre, könne außerdem »zu islamistischen Organisationen in Deutschland mit ähnlicher Ideologie nicht schweigen«, heißt es in dem Beitrag weiter.

Das war auf Faeser gemünzt, die einem Spiel der deutschen Nationalelf bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar auf der Tribüne beiwohnte und dort als Symbol gegen Diskriminierung eine bunte Armbinde mit der Aufschrift »One Love« trug. Zuvor hatte der Weltfußballverband Fifa im Einvernehmen mit dem WM-Gastgeber unter anderem der deutschen Mannschaft untersagt, diese Binde bei ihren Spielen zu tragen. Auch Ahmad Mansour kritisierte, dass Faeser zwar nach Katar fliege, um ein Zeichen für sexuelle Selbstbestimmung zu setzen, sich aber »in ihrem eigenen Land nicht einmal die Mühe macht, mit einheimischen Muslimen Themen wie Sexualität oder Gleichberechtigung auf der wichtigsten existierenden Dialogplattform« – der DIK – »zu besprechen«.

Wichtig ist Nancy Faeser die Bekämpfung von Rassismus gegen Muslime, die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Muslimen und die Erhöhung der Zahl der in Deutschland ausgebildeten Imame, damit weniger islamische Geistliche aus dem Ausland geholt werden. Das hat man auch schon von ihren Vorgängern gehört. Kritische Themen werden dagegen weiterhin ausgespart. Dazu gehören nicht nur der Islamismus, sondern beispielsweise auch das Problem, dass Politiker der AKP sowie der rechtsextremen MHP in Moscheen der Ditib und der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş Wahlkampf betreiben. In Deutschland leben rund 1,4 Millionen Menschen, die in der Türkei wahlberechtigt sind, wo im kommenden Jahr die nächsten Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Während fast überall im Nahen Osten »zu Recht zunehmend die Rolle des politischen Islam in puncto Radikalisierung beleuchtet« werde, beharre »das deutsche Innenministerium weiter auf einer Kooperation mit Akteuren des politischen Islam«, kritisiert Ahmad Mansour. Und anstatt über strittige Themen zu sprechen, entscheide sich das Ministerium zum wiederholten Male für ein »Weiter so«. Trotzdem nehme er wieder an der DIK teil, so Mansour, um »den reaktionären Islamverbänden nicht die Genugtuung zu gönnen, uns endlich stummzuschalten« und um »in der Debatte eine kritische Stimme zu sein«. Die ist und bleibt dort auch dringend nötig.