Zum 150. Geburtstag von Alice Guy am 1. Juli

Pionierin des Kintopp

Alice Guy (1873–1968) war die erste Filmregisseurin der Welt. Catel Muller und José-Louis Bocquet haben ihr eine charmant gezeichnete Comic-Biographie gewidmet.
Buchkritik Von

Sie war Drehbuchautorin, Produzentin und Studiochefin: Lange Zeit von der Filmgeschichte ignoriert, wird Alice Guy (1873–1968) inzwischen längst als Pionierin des Kintopp geschätzt. Ihre »Kohlfee« gehört wie das boxende Känguru der Brüder Skladanowsky oder der einfahrende Zug der Brüder Lumière in jede Chronik der Filmgeschichte.

Allein zwischen September 1896 und Mai 1897 können Guy sieben Kurzfilme zugeschrieben werden, darunter »La Fée aux choux« (»Die Kohlfee«), der als erster Spielfilm der Geschichte angesehen wird. In dem skurrilen Einminüter zieht eine tänzelnde Dame mit vielsagender Miene hinter Kohlköpfen zappelnde Babys hervor. Es ist die französische Variante der Erzählung vom Klapperstorch, der die Kinder bringt.

In der charmant gezeichneten Comic-Biographie »Alice Guy. Die erste Filmregisseurin der Welt« erzählen Catel Muller (Zeichnungen) und José-Louis Bocquet (Skript) die ungewöhnliche Karriere der Filmemacherin: von der Stenotypistin bei dem französischen Chronographenherstellers Léon Gaumont zu einer der produktivsten Regisseurinnen überhaupt.

Alice Guy war eine der produktivsten Regisseurinnen überhaupt.

Bis ins Jahr 1920 drehte Guy mehr als 1.000 Filme, bis 1907 in Frankreich, später in den USA. Von Beginn an eignete sie sich die technischen Fähigkeiten an, um selbst Filme machen zu können. »Die Film- wie die Theatertechnik ist ein geeignetes Feld für weibliche Aktivitäten«, beschließt Guy.

Sie drehte als eine der ersten Phonoszenen und wurde damit zu einer Wegbereiterin des Tonfilms, sie experimentierte früh mit Tricktechnik, Split Screens, Doppelbelichtungen, Zeitraffer und -lupe. Aber Guy ist nicht nur wegen ihrer Pionierleistungen beachtenswert, ihre späteren Filme behandeln oft politische Themen wie Antisemitismus, Einwanderung, Arbeitskämpfe. Völlig zu Recht sagt Guy von sich, dass sie das Kino »mit zur Welt gebracht« habe.


Buchcover

Catel Muller und José-Louis Bocquet: Alice Guy. Aus dem Französischen von Antje Riley. Mit einem Vorwort von Sven Jachmann. Splitter-Verlag, Bielefeld 2023, 400 Seiten, 45 Euro