Der Konflikt um Getreideimporte aus der Ukraine nach Polen

Ländliche Lebensart

Die polnische Regierung widersetzt sich dem EU-Beschluss, den Verkauf ukrainischen Getreides wieder zu gestatten. Damit vertritt sie nicht allein die wirtschaftlichen Interessen ihrer bäuerlichen Wählerbasis.
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Der Ton wird schärfer. »Wir sagen unmissverständlich und klar ›nein‹ zu allen ukrainischen Oligarchen, die den polnischen Agrarmarkt destabilisieren wollen«, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am 8. September bei einer Pressekonferenz am polnisch-ukrainischen Grenzübergang Dołhobyczów. Polen werde weiterhin den Transport ukrainischen Getreides durch sein Territorium gestatten, nicht aber dessen Verkauf im Land, egal was die EU-Kommission beschlossen habe.

Diese hatte im Mai wegen der sinkenden Getreidepreise Polen, Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei zeitweise gestattet, den Verkauf ukrainischen Getreides zu untersagen, sofern der Transit für den Export in andere Länder gewährleistet bleibt. Polen ignorierte das Auslaufen dieser Regelung am 15. September, und dies wohl nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen.

Polen ist noch relativ stark agrarisch geprägt. Mehr als acht Prozent der Beschäftigten sind in der Landwirtschaft beschäftigt, ein etwa doppelt so hoher Anteil wie im Durchschnitt von Industriestaaten. Es gibt mehr als 1,3 Millionen nach modernen Maßstäben kleine Höfe mit relativ geringer Produktivität. Die meisten dieser Kleinbetriebe verfügen aber mittlerweile über einen Traktor, ein auch für eindrucksvolle Demonstrationen und Blockaden gut geeignetes Fahrzeug.

Im Frühjahr kam es zu zahlreichen Protesten gegen den Verfall der Getreidepreise. Sie wurden überwiegend von Agrounia organisiert, einer protektionistischen, bezüglich der Wirtschaftspolitik aber linken und ökologisch orientierten Partei, die sich dem Oppositionsbündnis Koalicja Obywatelska (Bürgerkoalition) angeschlossen hat. Im April trat Landwirtschaftsminister Henryk Kowalczyk (PiS) unter dem Druck der Proteste zurück.

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