Über die antisemitische Stimmung in Istanbul

Die Helden des Halbmonds

Der türkische Präsident Erdoğan bezeichnet die Hamas als Freiheitskämpfer und droht Israel und dem Westen. Das trifft in der Türkei auf breite Unterstützung, doch viele bezeichnen die Regierungspolitik auch als heuchlerisch.
Reportage Von

Am Ende musste die türkische Polizei Tränengas einsetzen, um die US-Militärbasis zu schützen. Am vergangenen Sonntag waren Tausende Demonstranten zum Luftwaffenstützpunkt İncirlik im Süden der Türkei gezogen und hatten mit palästinensischen Flaggen gegen die US-Unterstützung für Israel demonstriert. Als sich eine große Gruppe Demonstranten in Richtung des Zauns der Militärbasis in Bewegung setzte, ging die Polizei gegen sie vor.

Organisiert hatte den Protest die Stiftung für Menschenrechte, Freiheiten und Humanitäre Hilfe (İHH), eine regierungsnahe Hilfsorganisation, die Verbindungen zur islamistischen Millî-Görüş-Bewegung hat. Die İHH gehörte zu den Mitorganisatoren der Gaza-Flottille, die 2010 mit sechs Schiffen voller Hilfsgüter die zur Verhinderung von Waffentransporten verhängte israelische Seeblockade des Gaza-Streifens durchbrechen wollte. Die israelischen Streitkräfte stürmten damals das Flaggschiff, neun teils Widerstand leistende İHH-Aktivisten wurden getötet, über 50 – teils schwer – verletzt; auch mehrere israelische Soldaten wurden verwundet. Das Ergebnis war eine schwere Krise im türkisch-israelischen Verhältnis.

Der Anlass für den Protest in İncirlik war der Besuch des US-Außenministers Antony Blinken in Istanbul am Montag. Doch hat es seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober in der Türkei zahlreiche Proteste gegen Israel gegeben. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hetzt nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen dessen westliche Unterstützer. Über die Hamas sagte er Ende Oktober, diese sei »keine Terrororganisation, sondern eine Organisation von Freiheitskämpfern, die ihr Territorium schützt«. Dennoch wird Erdoğan am 17. November in Berlin zu einem Staatsbesuch erwartet.

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