Der ehemalige Soziologieprofessor und Antizionist David Miller siegt vor dem Arbeitsgericht

Der Antisemit als Opfer

Ein Arbeitsgericht hat entschieden, dass der ehemalige Soziologieprofessor David Miller wegen seiner »antizionistischen Überzeugungen« diskriminiert worden sei.

Für Israelhasser war es ein Tag zum Feiern. Anfang Februar entschied ein britisches Arbeitsgericht, dass die Entlassung des ehemaligen Soziologieprofessors und glühenden Antizionisten David Miller durch die Universität Bristol im Jahr 2021 seine Rechte verletzt habe. Millers »antizionistischen Überzeugungen« müssten als »philosophische Überzeugung« gewertet werden, womit sein Recht, sie am Arbeitsplatz zu äußern, unter Schutz stünde, heißt es im Urteil. Miller sei »diskriminiert« worden. »Dieses Urteil stellt erstmals fest, dass antizionistische Überzeugungen am Arbeitsplatz geschützt sind«, teilten Millers Anwälte mit.

Millers »philosophische Überzeugungen« bestanden in den vergangenen Jahren vor allem in einer obsessiven Feindschaft gegen das, was er »Zionismus« nennt. Das Urteil des Arbeits­gerichts zitiert Äußerungen Millers, in denen er den Staat Israel als »per Definition rassistische Bestrebung« bezeichnete und argumentierte, dass »der Zionismus besiegt werden muss, damit die Palästinenser gewinnen können«.

Millers Spezialität besteht seit Jahren ­darin, den Einfluss des »Zionismus« auch in Großbritannien zu bekämpfen.

Dieser israelfeindliche Jargon ist an Universitäten noch nichts Ungewöhnliches. Miller ging jedoch noch weiter: Seine Spezialität besteht seit Jahren ­darin, den Einfluss des »Zionismus« auch in Großbritannien zu bekämpfen. In dem Zusammenhang gerieten neben der »Israel-Lobby« auch jüdische Organisationen an seiner ehemaligen Universität in sein Fadenkreuz.

2019 gab es erstmals eine Kontroverse um eine seiner Vorlesungen, in denen er jüdische Wohlfahrtsorgani­sationen als zionistische Lobbygruppen darstellte und den »Zionismus« für »Islamophobie« in Großbritannien verantwortlich machte. Organisationen wie die Jewish Society an der Universität Bristol und die britische Union of Jewish Students (UJS) kritisierten Miller, der das zum Anlass nahm, sich als Opfer einer Verleumdungskampagne zu stilisieren.

Erst 2021 entschied sich die Universität, ihn zu entlassen, nachdem er in einem öffentlichen Vortrag jüdische Studierende als »politische Schachfiguren eines gewaltsamen, rassistischen ausländischen Regimes, das ethnische Säuberungen betreibt«, bezeichnet hatte. Die Union of Jewish Students sieht das Urteil des ­Arbeitsgerichtes vom Februar dementsprechend kritisch: Es schaffe einen »gefährlichen Präzedenzfall dafür, was auf dem Universitätscampus über ­jüdische Studierende gesagt werden darf«.

2021 unterstützen über 300 Professoren, Akademiker und Intellektuelle in einem offenen Brief Miller, weil er einer »Zensur­kampagne« zum Opfer gefallen sei.

2021 drückten über 300 Professoren, Akademiker und Intellektuelle in einem offenen Brief ihre Unterstützung für Miller aus, weil er einer »Zensurkampagne« zum Opfer gefallen sei, darunter einschlägig bekannte Persönlichkeiten wie der Linguist Noam Chomsky und der Historiker Ilan Pappé. Nach weiteren antisemitischen Entgleisungen Millers kontaktierte im vergangenen August der Jewish Chronicle einige der damaligen Unterzeichner des offenen Briefes, die sich auf Nachfrage von Miller distanzierten. Miller hatte seit Veröffentlichung des Briefes unter anderem auf X geschrieben, dass Juden nicht diskriminiert würden und »in Europa, Nordamerika und ­Lateinamerika in kulturellen, ökonomischen und politischen Machtpositionen überrepräsentiert sind«. Damit seien sie in einer Position, um »tatsächlich marginalisierte Gruppen zu diskriminieren«. Außerdem kündigte Miller an, eine Liste mit jüdischen Persönlichkeiten zu veröffentlichen, um ihre Überrepräsentation zu verdeutlichen.

Millers Fall zeigt auf, wie schwierig es sein kann, Gerichte davon zu überzeugen, Antisemitismus als solchen zu identifizieren, wenn er im antizionistischen Jargon daherkommt. Ein Sprecher der Campaign Against Antisemitism (CAA) kritisierte deshalb nach der Urteilsverkündung auch die Universität Bristol. Diese habe zwar die IHRA-Definition für Antisemitismus angenommen, es aber 2021 versäumt, Millers Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen. »Das hat den Weg für das heutige Urteil bereitet.« Allerdings weist die CAA darauf hin, dass das Arbeits­gericht eindeutig ein Fehlverhalten Millers festgestellt habe. Wäre er damals »aus den richtigen Gründen gefeuert worden, hätte das Urteil heute anders aussehen können«, sagte der Sprecher von CAA.

Für Miller bieten die derzeitigen Proteste gegen Israel eine Möglichkeit, größere Teile der Öffentlichkeit zu ­erreichen als bisher.

Aus der Öffentlichkeit war David Miller durch seine Entlassung keineswegs verschwunden. Im Gegenteil: Der Prozess gegen seine Entlassung hat ihm weitere Aufmerksamkeit beschert. Erst kürzlich trat er in Brighton auf, um darüber zu dozieren, wie der Vorwurf des Antisemitismus als Waffe ­benutzt werde.

Die Organisation Na’amod, eine Gruppierung britischer Juden, die sich »gegen die israelische Besatzung und Apartheid« einsetzt, nahm das zum Anlass, sich von Miller zu distanzieren. Miller schoss auf X zurück: Na’amods Kritik an ihm sei Ausdruck eines »­jüdischen Suprematismus«, der anderen vorschreiben wolle, wie die »Opposition zum Zionismus« auszusehen habe. Die Zeiten seien aber vorbei, so Miller, der seinen Post mit dem Aufruf »#DismantleZionism« (»Zionismus zerlegen«) beendete.

Für Miller bieten die derzeitigen Proteste gegen Israel eine Möglichkeit, größere Teile der Öffentlichkeit zu ­erreichen als bisher. Dafür produziert er unter anderem die englischsprachige Sendung »Palestine Declassified« des staatlichen iranischen Auslandsfernsehsenders Press TV, in der er auch oft als Gast auftritt, und schreibt Texte auf al-Mayadeen, einer libanesischen Nachrichten-Website, die die Hizbollah unterstützt.