Bericht aus der umkämpften Stadt Kupjansk in der Ostukraine

Überleben nahe der Front

Die russische Armee versucht seit Monaten, Kupjansk im Nordosten der Ukraine zu erobern. Immer noch harren in der zerstörten Stadt einige Tausend Zivilisten aus.
Reportage Von

Die Fahrt nach Kupjansk führt entlang weiter, blühender Felder. Getreide steht bis zum Horizont. Schließlich muss man auf unbefestigten Straßen durch Wälder fahren. Es wird unübersichtlich, zahlreiche Brücken sind zerstört. Der Verkehr stockt, weil es über unwegsames Gelände nur langsam vor­angeht. Straßensperren und Militärfahrzeuge erinnern daran, dass man durch ein Kriegsgebiet reist. Je näher man Kupjansk kommt, desto häufiger ist Geschützlärm zu hören. Zerschossene und komplett zerstörte Häuser säumen den Straßenrand. An der Stadtgrenze von Kupjansk wartet der Bürgermeister. Mit militärischem Geleit fährt der Konvoi in die Stadt.

Seit Beginn der ukrainischen Gegenoffensive im Juni liegt die Hauptaufmerksamkeit auf den Kämpfen in der Südukraine. Doch wird an zahlreichen Abschnitten der über 1.000 Kilometer langen Front gekämpft. In der Nähe der völlig zerstörten Stadt Bachmut in der Region Donezk ist die ukrainische Armee ebenfalls zur Offensive übergegangen und bindet russische Truppen in erbitterten Gefechten. Knapp 150 Kilometer weiter nördlich in der Oblast Charkiw ist es die russische Armee, die seit Beginn des Sommers versucht, die ukrainischen Truppen bei Kupjansk zurückzudrängen. Vertreter der ukrainischen Armee sprachen im Juli von 100.000 russischen Soldaten, die versuchen, die Stadt ein weiteres Mal zu erobern, die für die logistische Versorgung des Donbass wichtig und daher strategisch bedeutsam ist.

Die Stadt am Fluss Oskil, die einst über 25.000 Einwohner hatte, besteht größtenteils aus Ruinen. Es gibt kaum noch intakte Straßenzüge, viele öffentliche Gebäude, das Rathaus, das örtliche Museum, die Markthalle und Krankenhäuser sind zerstört worden. Im August verfügten die Behörden, alle Zivilisten aus Kupjansk und den Dörfern und Städten im Umkreis zu evakuieren. Doch noch immer leben hier Menschen, die sich weigern, zu gehen. In der Stadt selbst sollen es Schätzungen zufolge nicht mehr als 5.000 sein.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::