In NRW wächst die Reichsbürgerszene

Königreich Nordrhein-Westfalen

Die rechtsextreme Reichsbürger:innenszene in Nordrhein-Westfalen wächst. Das zeigen zahlreiche Durchsuchungen und Festnahmen in den vergangenen Monaten. Eine Kampfsportschule in Düsseldorf gehört bereits zum »Königreich Deutschland«.

Das von Peter Fitzek gegründeten Königreich Deutschland (KRD) will expandieren. Jüngst wurde bekannt, dass 50 Reichsbürger:innen ein geheimes Treffen in der Schweiz abgehalten haben. Man traf sich Anfang November in einer Villa in Basel. Es war die Auftaktveranstaltung zum Ausbau des Pseudostaats KRD in der Schweiz. Geplant sind die Einrichtung eigener Krankenkassen, einer Rentenversicherung und sogar einer Bank. Recherchen des öffentlich-rechtlichen Senders SRF zeigen, dass bereits etliche Schweizer:innen ein Bankkonto bei der sogenannten Reichsbank des KRD ­haben, mit Einlagen natürlich in dessen Phantasiewährung »Neue Deutsche Mark«. Auch Seminare für Betriebsgründungen im KRD wurden angeboten.

Mit dabei als Ansprechpartner für Interessierte war nach Informationen der Woz das sogenannte Leuchtturm-Team. Dieses sei ansässig in Düsseldorf und fungiere als Propagandaagentur Fitzeks, des Königs von eigenen Gnaden des KRD. Nordrhein-Westfalen scheint derzeit neben der Schweiz von be­sonderem Interesse für Fitzeks Sekte zu sein.

Seit Monaten betreibt das KRD eine Aufbaukampagne im bevölkerungsreichsten Bundesland und bietet Seminare für »Systemaussteiger« an. Angestrebt werden ein von der Bundesrepublik unabhängiger Wirtschaftskreislauf, in dem Zinsen verboten sein sollen, und der Aufbau sogenannter Gemeinwohldörfer. Solche Bestrebungen gab es in der Vergangenheit bereits unter anderem in Brandenburg und Sachsen.

Nicht nur das sogenannte Königreich Deutschland intensiviert seine Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen; insgesamt wächst die Reichs­bürger:innen­szene in dem Bundesland.

Seit 2022 ist dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zufolge im sogenannten Betriebsregister des KRD die Kampfsportschule »Campus-Concept« in Düsseldorf eingetragen. Die Homepage des Unternehmens bestätigt das: Im Impressum ist zu lesen, dass es sich um einen »Betrieb im KRD« handle. Als Hauptsitz wird Lutherstadt Wittenberg angegeben, wo Fitzek seinen Phantasiestaat 2012 gründete. Die Kung-Fu-Schule liegt gerade mal einen Steinwurf von der Düsseldorfer Prachtstraße Königsallee entfernt. Auf einem Schild im Schaufenster steht: »Kein öffentlicher Bereich/Seminar-/Praxisraum. Zutritt nur für Staatsangehörige und -zugehörige des Königreiches Deutschland. Anträge auf Zugehörigkeit hier erhältlich.«

Die »Staatszugehörigkeit« ist, wie der Website des KRD zu entnehmen ist, der erste Schritt in das KRD; die »Staatsangehörigkeit« hingegen bekommt man erst, nachdem man ein Wochenendseminar (»Energieausgleich: 374,- Euro«) besucht, einen Antrag (»Gebühr: 480,- Euro«) gestellt und eine Prüfung bestanden hat. Damit erwirbt man auch »das Recht, eine Identitätskarte und bald auch einen Reisepass oder Führerschein« zu erhalten.

Kevin Mender, der Inhaber von »Campus-Concept«, wird auf der Website des »Leuchtturm-Teams« unter ­anderem aufgeführt als »Spezialist im Bereich Betriebsgründung im KRD«. Ein weiteres Mitglied des Teams ist Britta Vogelberg, die 2021 in Bremen zur Vorsitzenden der »Querdenken«-Partei »Die Basis« gewählt wurde. Beide werden als »Vortragsredner« vor­gestellt. Als solche halten sie bundesweit Informationsseminare ab; von Hamburg über Bielefeld, Köln und das Sauerland bis in die Pfalz, nach Thüringen und Bayern sind bis Anfang Februar Seminare unter dem Titel »Sys­temausstieg und Betriebsgründung« geplant.

»Deutschlandweit« gebe es »immer mehr Gemeinwohldörfer«, heißt es weiter auf der »Leuchtturm«-Website – »auch überall im Westen in Deiner Region«. Das KRD will ganz offenbar über den Osten Deutschlands hinaus. Bereits im Juli 2020 hatte das KRD vergeblich versucht, ein Restaurant in Köln zu eröffnen. Zutritt zum Lokal sollten nur »Staatsangehörige und Zuge­hörige des Königreichs Deutschland« haben. Die Stadt Köln ließ das Restaurant allerdings wegen fehlender Konzession schließen.

Ihr Geld können die Anhänger:innen des KRD auf Konten bei der sogenannten Gemeinwohlkasse unterbringen.

Ihr Geld können die Anhänger:innen des KRD im Übrigen auf Konten bei der sogenannten Gemeinwohlkasse unterbringen. Diese dient angeblich »ausschließlich dem Wohle der Allgemeinheit« und investiere in »regionale Projekte«. Die erste Filiale dieser »Gemeinwohlkasse« wurde dem Verfassungsschutz zufolge im September 2020 in Ulm eröffnet. Später folgten weitere in Dresden, im sauerländischen Menden und in Lutherstadt Wittenberg. Im Februar wurden sie alle im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geschlossen.

Auch unabhängig vom KRD breitet sich die Reichsbürger:innenszene in Nordrhein-Westfalen aus. Zahlreiche Festnahmen belegen deren wachsenden Aktivitäten. 3.400 Reichs­bürge­r:in­nen zählt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbericht für 2022 im gesamten Bundesland. Die Anzahl der von ihnen verübten Straftaten stieg demnach im Vergleich zum Vorjahr um knapp zwölf Prozent von 69 auf 77.

In Mettmann nahe Düsseldorf versammelten sich im März der Rheinischen Post zufolge rund 40 Reichs­bürge­r:in­nen auf dem Gut Meurersmorp; das Treffen wurde ­allerdings von der Polizei aufgelöst. Bereits im vergangenen Jahr habe der Gutsinhaber seine Räume an Reichs­bürge­r:in­nen und auch an die nordrhein-westfälische AfD vermietet.

Im Zuge einer bundesweiten Razzia im Oktober nahm die Polizei ebenfalls im Kreis Mettmann einen 49jährigen fest. Dieser soll eine zentrale Rolle in der mutmaßlichen Terrorgruppe »Vereinte Patrioten« und eine regionale Führungsrolle bei der Planung von Anschlägen auf die Energieversorgung ­gespielt haben.

Auch im öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens gibt es Ermittlungen. Bereits bei der bundesweiten Großrazzia in der Reichsbürger:innenszene im Dezember 2022 wurden Wohnung und Arbeitsplatz einer bei der Kriminalpolizei Beschäftigten im Kreis Minden-Lübbecke durchsucht, die daraufhin suspendiert wurde. Im April dieses Jahres wurde ein Polizeibeamter aus dem Hochsauerlandkreis vom Dienst enthoben. Auch bei ihm habe es Hinweise darauf gegeben, dass er der Reichs­bürge­r:in­nen­szene angehören könnte, berichtete der WDR.

Jüngst erhob die Staatsanwaltschaft Bonn Anklage gegen eine Beamtin des Hauptzollamts Köln. Der 61jährigen aus Lohmar wird vorgeworfen, Mitglied der Reichs­bürge­r:innen­szene zu sein und Strafverfahren wegen Schwarzarbeit verhindert zu haben. Bereits im Oktober 2021 wurde sie vom Dienst suspendiert, nachdem der Verdacht ihrer Szenezugehörigkeit aufgekommen war.

Im Juli durchsuchte die Polizei schließlich mehrere Objekte in Brandenburg.

Bereits 2020 wurde der in Ostwestfalen-Lippe ansässige Reichs­bürge­r:in­nen­verein »Geeinte deutsche Völker und Stämme« (GdVuSt) verboten, doch nach Angaben des Verfassungsschutzes von Nordrhein-Westfalen sind dessen Anhänger:innen dort weiterhin aktiv. Es war das erste Verbot einer Vereinigung der Szene auf Bundesebene. Das Bundesinnenministerium hatte das Verbot damit begründet, dass die Mitglieder »durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck« brächten. Sie hätten antisemitische Schriften verbreitet und Amts­träge­r:in­nen und deren Familien heftig bedroht. Als Beispiel für die Fortführung der Vereinigung führt der Verfassungsschutzbericht einen Telegram-Kanal an, in dem über die »Erhebung« von drei Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zum »Hoheitsgebiet« nach dem von den GdVuSt reklamierten Bodenrechten berichtet wurde.

Im Juli durchsuchte die Polizei schließlich mehrere Objekte in Brandenburg. Bei der Razzia seien Beweismittel aufgefunden und sichergestellt worden, »die die Fortführung der Ver­einigung ›Geeinte deutsche Völker und Stämme‹ (…) vermuten lassen«, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam mit – der Neuen Westfälischen nach auch in Ostwestfalen-Lippe. Bereits im November vergangenen Jahres verurteilte das Landgericht Lüneburg eine ihrer Führungsfiguren. Die 61jährige Frau aus dem Raum Osnabrück, der an Ostwestfalen grenzt, wurde unter anderem wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot verurteilt. Sie legte Revision gegen das Urteil ein.

Ebenfalls in Ostwestfalen-Lippe aktiv ist die Gruppe »Justiz-Opfer-Hilfe« (JOH). Ihre Anhänger:innen stammen der Neuen Westfälischen zufolge vor allem aus Minden-Lübbecke. Die Gruppe bietet demnach Szeneanhänger:innen Rechtsberatung an und unterhält weitere Strukturen, darunter eine angebliche Menschenrechtsorganisation und eine Freikirche. Außerdem betreibe sie Zweigstellen unter anderem in Porta Westfalica, Bad Salzuflen und im niedersächsischen Rinteln sowie ein »Amtsbüro« auf Mallorca.

Ein Auge haben die Ordnungsbehörden auch auf den »Vaterländischen Hilfsdienst«, dessen Anhänger:innen vom Fortbestehen des Kaiserreichs ausgehen. Nach Angaben des Verfassungsschutzberichts finden regel­mäßig Treffen in der Region Bielefeld und im Bergischen Land statt. An diesen hätten auch immer wieder Kinder teilgenommen.