Interview

2008/45 Interview mit Mehmet Desde über seine Verurteilung als kurdischer Terrorist in der Türkei

»Ich heiße Mehmet und nicht Marco«

Im Sommer 2002 war der deutsche Staatsbürger Mehmet Desde aus Landshut in die Türkei gefahren, um seinen Vater zu beerdigen und danach ein paar Tage Urlaub in Izmir zu machen. Doch er erhielt Ausreiseverbot und verbrachte sechs Jahre in der Türkei, weil er wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Vor drei Wochen wurde er aus der Haft entlassen und konnte wieder nach Deutschland zurückkehren.

2008/44 Gespräch mit Hans Joachim Lenger und Sarah Speck über die Tagung »Virtualität und Kontrolle« in Hamburg

»Eine Art Metavirulenz freisetzen«

Hans Joachim Lenger, Professor für Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, hat zuletzt die Monografie »Marx zufolge. Die unmögliche Revolution« veröffentlicht. Sarah Speck ist gemeinsam mit Volker Weiß Herausgeberin des Sammelbandes »Herrschaftsverhältnisse und Herrschaftsdiskurse. Essays zur dekonstruktivistischen Herausforderung kritischer Gesellschaftstheorie«. Langer und Speck organisieren die Tagung »Virtualität und Kontrolle«.

2008/43 Interview mit Thomas Meinecke über Katholizismus und Sexualität

»Vogueing ist katholisch«

Wer die Songs der Band F.S.K. und die frü­he­ren Romane von Thomas Meinecke kennt, wird sich nicht darüber wundern, dass auch sein gerade erschienener Roman »Jungfrau« eher ein DJ-Set als eine stringente Erzählung ist. Es geht wie schon in seinem Roman »Tomboy« um queere Theoriebildung. Allerdings ist das Feld, auf dem Meinecke erforschen will, wie Sexualität konstruiert ist, eher ungewöhnlich. Es ist der Katholizismus. Neben Hollywoods B-Film-Ikone Maria Montez sowie ihrem Wiedergänger Mario Montez, dem Camp-Filmer Jack Smith oder der Jazzpianistin Jutta Hipp sind es der Briefwechsel zwischen Heloise und Abaelard, die Texte mittelalterlicher Mystikerinnen oder die Schriften des modernen Theologen Hans Urs von Balthasar, mit denen er sich auseinandersetzt.

2008/42 Interview mit David Fernández Molpeceres über Anarcho-Syndikalismus und Arbeitsbedingungen auf Mallorca

»Hier wird auch nicht jeden Tag gestreikt«

Nur zwei, drei Häuser neben dem Parlament der Balearen in Palma de Mallorca weht vom zweiten Stock die schwarz-rote Fahne der CNT. Die Anarcho-Syndikalisten der Insel unterhalten dort ein kleines Büro, das jeden Abend an Werktagen geöffnet ist und optisch an ein Asta-Büro erinnert. Wände, Türen, Bibliothek und Archiv sind voll mit Dokumenten anarchistischer und linksradikaler Geschichte und Gegenwart. David Fernández Molpeceres ist der Generalsekretär der CNT von Mallorca.

2008/40 »Zoya« im Gespräch über Gewalt gegen Frauen und die internationalen Truppen in Afghanistan

»Die Gewalt gegen Frauen nimmt zu«

Die Frauenrechtsgruppe Rawa (Revolutiona­ry Association of the Women of Afghanis­tan) engagiert sich seit 1977 sozial und politisch für die Durchsetzung von Menschen­rechten für Frauen in Afghanistan. In der Organisation sind 2000 Frauen in Afghanis­tan und Pakistan aktiv. Eine von ihnen ist die 1978 geborene »Zoya«, die nach der Ermordung ihrer Eltern selbst in einer Schule der Rawa in Pakistan das erste Mal eine Schulbildung erhielt. Wie alle Rawa-Aktivis­tinnen tritt sie aus Sicherheitsgründen nur unter Pseudonym an die Öffentlichkeit und lässt sich nicht fotografieren.

2008/38 Interview mit Seyran Ates über Kopftuch und Diskriminierung

»Wir brauchen Zahlen statt Behauptungen«

Die Frauenrechtlerin Seyran Ates ist eine der prominentesten Kritikerinnen von Kopftuch, islamischem Fundamentalismus und dem von ihr so genannten Multikulti-Irrtum. Vergangene Woche sorgte sie erneut für Diskussionen. Als »einseitiges Pamphlet für das Kopftuch« kritisierte sie die von der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales in Berlin herausgegebene Broschüre »Mit dem Kopftuch außen vor«, in der Kopftuch tragende Frauen von Diskri­minierung berichten.

2008/36 Interview mit Sascha Lobo über eine neue Form der 140-Zeichen-Kommunikation

»Man sollte die Einblickstiefe festlegen«

Der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hatte über seine Reise zur Convention der Demokraten in Denver, USA, getwittert. Auch Barack Obama twittert. Beim Twittern (englisch für Zwitschern) geht es darum, vom Computer oder Handy aus in ­jeweils maximal 140 Zeichen der Internetgemeinde etwas mitzuteilen. Sascha Lobo ist Mitarbeiter der Zentralen Intelligenz-Agentur und Betreiber des erfolgreichen Blogs Riesenmaschine. Mit Holm Friebe zusammen gab er das Buch »Wir nennen es Arbeit« über die »digitale Boheme« heraus.

2008/35 Interview mit Umeswaran Arunagirinathan über Minderheiten und Separatismus in Sri Lanka

»Es bekämpfen sich nicht nur zwei Parteien«

Die Uno hat angesichts der neuen Offensive des Militärs Sri Lankas vor einer neuen Flüchtlingskrise gewarnt. In den vergangenen zehn Wochen seien 75 000 Menschen vor den Kämpfen geflüchtet. Bereits als Zwölfjähriger hat Umeswaran Arunagirinathan Sri Lanka mit Unterstützung von Fluchthelfern in Richtung Europa verlassen. Seit 1991 lebt er in Deutschland. Vor zwei Jahren hat er einen Roman veröffentlicht, in dem er die Hintergründe des Bürgerkriegs, die Stationen seiner Flucht und die Situation von Kinderflüchtlingen in Deutschland beschreibt (»Allein auf der Flucht – Wie ein tamilischer Junge nach Deutschland kam«, Konkret-Literatur-Verlag). Der 30jährige Arunagirinathan ist Assistenzarzt in der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf und engagiert sich bei Amnesty International.

2008/34 Ein Gespräch mit Javier Martinez über Botellón-Partys

»Es muss nicht immer Alkohol sein«

1 300 junge Menschen trafen sich im Juli im Parc aux Bastions in Genf zu einer ausgelassenen nächtlichen Party. Verabredet hatten sie sich über das Internetportal Face­book. Schweizer Zeitungen bezeichneten die Feier als »Massenbesäufnis« und behaupteten, die Jugendlichen hätten einen »Schweinestall« hinterlassen. Um eine zweite im Internet vereinbarte ­Party zu verhindern, sperrte die Polizei den Zugang zum Park, die Feiernden mussten weiterziehen. »Botellónes« heißen solche Partys. In Spanien sind sie weit verbreitet, zum größ­ten bisherigen Botellón versammelten sich in Sevilla nach Schätzungen spanischer Medien 70 000 Menschen. Javier Martinez war maßgeblich verantwortlich für das Genfer Botellón im Juli, das erste in der Schweiz überhaupt. Ein weiteres ist für den 22. August geplant. Der 22jährige Martinez ist Spanier und studiert derzeit in Genf.

2008/33 Interview mit Roberto Ivan Aguilar Gómez über das Referendum in Bolivien

»Absage an eine gewaltsame Lösung«

Am Sonntag hat sich die Bevölkerung ­Boliviens in einem Referendum mit 62 Prozent der Stimmen deutlich hinter die ­Regierung von Evo Morales gestellt. Doch auch die oppositionellen Präfekten der nach Autonomie strebenden Provinzen wurden bestätigt. Roberto Ivan Aguilar Gó­mez ist stellvertretender Präsident der verfassungsgebenden Versammlung Bo­liviens. Er ist 50 Jahre alt, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Mayor de San Andrés von La Paz und war von 2004 bis 2006 auch deren Direktor.