Die Geschäfte österreichischer Konzerne mit Russland

Die Nummer zwei unter den nützlichen Idioten

Der Öl- und Gaskonzern OMV, der Baukonzern Strabag, Red Bull, die Raiffeisen-Bank: Österreichische Unternehmen glänzen im Geschäft mit Wladimir Putins Russland.

Im Juni 2014, als Russland seinen Krieg gegen die Ukraine, den es 2022 eskalierte, längst begonnen und die Krim völkerrechtswidrig annektiert hatte, wurde Präsident Wladimir Putin bei einem Empfang der Österreichischen Wirtschaftskammer in Wien vom Who’s Who der dortigen Großunternehmer mit stehendem Applaus bedacht. Der damalige sozialdemokratische Bundespräsident Heinz Fischer klatschte ebenso begeistert mit wie der offizielle Gastgeber, der damalige Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph Leitl von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP).

Kurz zuvor hatte die OMV, Österreichs wichtigster Erdöl- und Erdgaskonzern, einen Vertrag über den Bau des österreichischen Teilstücks der geplanten Gas-Pipeline South Stream unterzeichnet, obwohl die russischen Geschäftsbedingungen für deren Betrieb gegen EU-Recht verstießen. Im Dezember 2014 ließ Putin das Projekt fallen, mit dem vor allem die Ukraine als Transitland für russisches Gas so weit wie möglich umgangen werden sollte; sehr zum Missvergnügen der Österreicher, die gerne weitergebaut hätten, obwohl damals bereits Tausende Menschen in der Ukraine der militärischen Aggression Russlands zum Opfer gefallen waren und die Uno, die USA und die EU die russische Annexion der Krim scharf verurteilt hatten.

Als die Strabag SE, einer der größten Baukonzerne Europas, im Jahr 2007 zu 30 Prozent an den russischen Oligarchen Oleg Deripaska verkauft wurde, gab der damalige Strabag-Geschäftsführer Hans Peter Haselsteiner bei der Tageszeitung Der Standard folgende Perle der Hobby-Völkerkunde von sich: Die Russen seien »sehr herzliche, an­genehme und gemütliche Leute, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Nationen. Die Franzosen etwa sind als Nation arrogant, eine geschlossene Veranstaltung. Wenn man nicht perfekt Französisch spricht, ist man ein Untermensch.« Als Haselsteiner dies sagte, hatte die gemütliche und herzliche russische Armee bereits, je nach Schätzung, zwischen 45.000 und 200.000 Tschetschen:innen getötet.

Wer es wollte, konnte damals auch schon wissen, dass Putin der Held der globalen Neonazi-Szene war und rechtsextreme Zellen und Parteien in Westeuropa ideell und materiell hochpäppelte. Das wollte nur kaum jemand wissen, österreichische Unternehmer so wenig wie viele Linke.

2017 gab der Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz der Kleinen Zeitung ­eines seiner seltenen Interviews. Darin lobte er nicht nur seinen damals gerade zum US-Präsidenten aufgestiegenen Milliardärskollegen Donald Trump, sondern sagte auch: »Das Meinungsdiktat des politische Korrekten sagt, Russland sei ein Schurkenstaat, das Böse schlechthin, und wir sind die Guten. Und jeder, der das nicht so sieht, liegt falsch. Dann ist aber auch schnell Schluss mit Meinungsfreiheit, denn die wird ja nur gewährt, solange man dieselbe Meinung vertritt wie sie. Ich brauche niemanden, der mir sagt, wer meine Feinde sind.« Ob Mateschitz wenigstens errötete, als er sich in der zweitgrößten Tageszeitung Österreichs über seine angeblich nicht vorhandene Meinungsfreiheit beklagte, während Putin zahlreiche Journalist:innen ermorden oder in Arbeitslagern verschwinden ließ, ist nicht überliefert.

Die Raiffeisen-Bank International, die lange kein Problem noch mit den schlimmsten Menschenrechts­verletzungen des Putin-Regimes hatte, findet sich nun in einem unangenehmen Dilemma wieder.

Nachdem Russland den größten Landkrieg in Europa seit 1945 begonnen hatte und Mateschitz im Oktober vergangenen Jahres – freilich an natürlichen Ursachen – verstorben war, weigerten sich seine Erben, aus dem Russland-Geschäft auszusteigen. Auch eine Protestaktion im November 2022 vor der Red-Bull-Konzernzentrale in Fuschl am See, bei der Aktivist:innen ein riesiges Transparent mit der Aufschrift »Red Bull verleiht Putin Flügel« aufspannten, änderte daran nichts. Der Softdrink-Hersteller ist damit nicht allein. Das britische Wirtschaftsma­gazin Economist reihte Österreich in einer Liste von Staaten, die als »Putins nützliche Idioten« fungierten, gleich hinter Ungarn auf Platz zwei. Die Zeitschrift begründete dies unter anderem mit der fortgesetzten Zusammenarbeit österreichischer Unternehmen mit Russlands Wirtschaft, die dadurch Sanktionen unter­laufen könne.

Die wohl wichtigste Rolle im österreichischen Geschäft mit Putins Autokratie übernimmt die Raiffeisen-Bank International (RBI). Das zweitgrößte Kreditinstitut Österreichs ist seit Anfang der neunziger Jahre in Russland aktiv und hat sich dort mit rund 10.000 Mit­ar­beit­er:in­nen zur größten im Land aktiven westlichen Bank entwickelt. Hilfreich dabei war, dass die RBI so etwas wie die Hausbank der ÖVP ist, die seit 1987 fast durchgehend die Außenminister Österreichs stellte. Die einzige Ausnahme war die offiziell parteilose, aber ideologisch der FPÖ nahestehende Karin Kneissl, die das Amt von Dezember 2018 bis Juni 2019 innehatte, während ihrer kurzen Amtszeit Präsident Putin zu ihrer Hochzeit einlud und dort, vor den Kameras der Weltpresse, vor ihm auf die Knie sank.

Die RBI, die lange kein Problem noch mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Putin-Regimes hatte, findet sich nun in einem unangenehmen Dilemma wieder. Einerseits will sie ihr Russland-Geschäft, das zusammen mit dem in Belarus rund 60 Prozent des Konzerngewinns einbringt, nicht aufgeben. Andererseits steigt der Druck vor allem aus den USA, eben das zu tun, da dieses Geschäft maßgeblich dazu beiträgt, Russland liquide und somit kriegsfähig zu erhalten. Die US-amerikanische Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) beobachtet die RBI seit Anfang 2023 und Vertreter der RBI sind bereits nach Washington gereist, um sich den Fragen der Sanktionsaufsicht zu stellen. Die dürften durchaus unangenehm gewesen sein, denn laut Medienberichten vom Frühjahr 2023 nutzte weltweit fast die Hälfte aller Unternehmen, die mit Russland Geschäfte machten, die RBI, um Gelder von und nach Russland zu transferieren.

Zusehends panisch versucht die RBI derzeit, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, in das sie sich selbst manövriert hat. Zieht sich die RBI einfach zurück, könnte das, je nach Berechnung, einen Gesamtverlust bis zu zehn Milliarden Euro bedeuten. Das könnte die RBI zwar überleben, aber es würde sehr vielen Aktio­när:in­nen sehr weh tun. Bleibt die RBI weiter als Sanktionsbrecherin tätig, droht ihr schlimmstenfalls der Ausschluss aus dem internationalen Banksystem, was tatsächlich ihr Ruin wäre und Österreich an den Rand des Staatsbankrotts bringen könnte. Daher gibt es seit Monaten hektische diplomatische Bemühungen Österreichs, die USA und die Europäische Zentralbank mit Versprechungen wie jenem hinzuhalten, das Russland- und Belarus-Geschäft in eine Unterorganisation auszulagern.

Ob dieser typische österreichische Taschenspielertrick und der ständige Hinweis auf die Neutralität Österreichs ausreichen werden, um der RBI die Haut zu retten, hängt unter anderem davon ab, ob der Krieg bald enden oder ob er weiter eskalieren wird.

Viele internationale Kritiker:innen werfen Österreich nicht grundlos vor zu versuchen, unter dem Deckmantel seiner Neutralität Geschäfte noch mit dem schlimmsten Terrorregime zu machen und dabei doch höchst parteilich zu sein; denn nichts anderes, als Partei für einen Terroristen zu ergreifen, sei es, wenn man mit diesem Geschäfte mache und ihm damit ermögliche, seinen Terror zu finanzieren.

Wie Russland-Geschäfte ausgehen können, wenn die dortigen »Partner« vermuten, sie könnten hintergangen worden sein, zeigt der Fall des Wiener Rechtsanwalts Erich Rebasso. Der verschob, übrigens über ein Konto der Raiffeisen-Bank, fast 100 Millionen US-Dollar aus trüben russischen Quellen auf Offshore-Konten. Wie ein internationales Rechercheteam herausfand, dürften die Gelder wenigstens zum Teil aus einem Kerosin-Betrugsfall am Moskauer Flughafen Scheremetjewo und einem Anlagebetrugsfall gestammt haben. Am 27. Juli 2012 wurde Rebasso in Wien von zwei ehemaligen russischen Polizisten entführt. Am 16. August fand man seine Leiche in einem Wald in Niederösterreich. Todes­ursache: Strangulation.