Der Technoclub »Institut für Zukunft« hat Geldprobleme und streitet über den Umgang mit BDS

Institut sucht Zukunft

Das Leipziger »Institut für Zukunft« steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Dabei wird der Club mit seiner linken, progressiven und proisraelischen Haltung unbedingt gebraucht. Allerdings hadert das Veranstaltungskollektiv mit seinem einstigen universalistischen Anspruch.

Was vor fast einem Jahrzehnt als progressiver Club begann, steht nun unter keinem guten Stern: das Leipziger »Institut für Zukunft« (IfZ). 2014 eröffnete das Kulturprojekt im Kohlrabizirkus, so der Name des Komplexes, der in den zwanziger Jahren als Markthalle erbaut worden war. Der Anspruch des dort untergekommenen Clubs: »Another sound is possible.« So lautete zumindest der Claim der damaligen Crowdfunding-Kam­pagne.

2014 war der Hype um Leipzig noch jung. Der Vielzahl von Techno-Kollektiven fehlte es an Spielstätten, denn außer der »Distillery«, die damals schon eine feste Instanz war, gab es in Leipzig keine Technoclubs. Das, wofür Leipzig nach der Wiedervereinigung von vielen geliebt wurde, waren die Freiheit und illegale Raves in verlassenen Hallen. Aber das waren Interimslösungen, diese sollten durch eine feste Spielstätte ergänzt werden. Der Club sollte mehr sein als ein Ort des Hedonismus. Dezidiert politisch sollte das Projekt sein, war doch ein Großteil der Gründer:innen Teil der israelsolidarischen Szene der Stadt und das IfZ der Schwesterclub des »About Blank« in Berlin, das sich ebenfalls so positionierte.

In den ersten fünf Jahren etablierte sich das IfZ als Institution in der deutschen Technoszene. Mit den Corona-Lockdowns und einem Generationswechsel der Raver:innen sowie der Mitarbeitenden stürzte der Club in eine Krise, von der er sich bis heute nicht erholt hat. In der linken Clubszene war das gerüchteweise länger bekannt, jetzt ging das IfZ damit an die Öffentlichkeit. In einem am 31. Juli auf seiner Website veröffentlichten »Report«, über den auch die Leipziger Volkszeitung berichtete, machte das »Institut für Zukunft« deutlich, wie es um die eigene Zukunft steht: Wirtschaftlich geht es dem Club nicht gut, was unter anderem an den Rückzahlungsforderungen staatlicher Coronahilfen von 50.000 Euro liegt.

»Der Erhalt des Clubs«, heißt es in der ausführlichen Mitteilung, »braucht gerade alle Ressourcen auf und wir wissen weder, wie lange das noch klappt, noch auf welche Zukunft wir schauen. It’s not looking good. Wir sind in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten.« Aber es geht in dem Text auch um das politische Selbstverständnis des IfZ, nicht zuletzt in Fragen des israelisch-palästinensischen Konflikts, der Abgrenzung von der BDS-Kampagne und dem Ausschluss der Kufiya als eines politischen Symbols des militanten Antizionismus auf Veranstaltungen und andere Themen, die in den vergangenen Jahren für Kontroversen gesorgt haben.

Während einer Party hatte eine Besucherin eine Kufiya, das sogenannte Pali-Tuch, angelegt: ein politisches Statement, das mit dem Selbstverständnis des IfZ als proisraelisch schwerlich zu vereinbaren war – bis dato jedenfalls nicht.

Der aus dieser Gemengelage entstandene Report des IfZ ist ein Schritt nach vorne, aber auch einer, der lange auf sich warten ließ. Auf Social Media äußern einige Club­be­sucher:in­nen zudem Unmut. Positionen wie das Kufiya-Verbot, die bislang für das Projekt selbstverständlich schienen, stünden in Frage. Von dem emanzipatorischen Anspruch sei nur noch eine Fassade übrig, viel zu lange hätten sich die Verantwortlichen nicht mit Konflikten auseinandergesetzt.

Den Mitgliedern des vor zehn Jahren gegründeten Kulturraum e. V. (KreV), der im Club regelmäßig Workshops, Podiumsdiskussionen und Vorträge organisiert hat, reichten die im Report enthaltenen Klarstellungen jedenfalls nicht. Der KreV gab am 15. August auf Facebook seine Auflösung bekannt. Die Gründe seien »multikausal«, dennoch wird in der Auflösungserklärung auch der jüngste Report und die politische Entwicklung des IfZ kritisiert: »An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden«, teilt der Verein mit, »dass die politische Selbstverständigung, wie sie tonangebend im IfZ derweil forciert wird, nicht mit unserem emanzipatorischen Selbstverständnis vereinbar ist. Autoritäre Maßnahmen zur Entledigung unliebsamer Personen, die Aufweichung von Mindeststandards im Umgang mit Antisemitismus, die Anwendung von Definitionsmacht nach politischem Gutdünken und die identitäre Auflösung von Konflikten anhand von Sprechorten und zulasten von politischen Argumenten sind bedenkliche Entwicklungen, die sich auch in dem kürzlich veröffentlichten Report widerspiegeln.«

Die Kritik bezieht sich auf Vorkommnisse, die in der letzten Zeit für Diskussionen sowohl im Club als auch seinem Umfeld sorgten. Nicht zuletzt geht es um einen Vorfall im Sommer 2021 auf einer Veranstaltung des Musikkollektivs »Music of Color«, das wegen seiner BDS-Nähe im Projekt umstritten ist. Während der Party hatte eine Besucherin eine Kufiya, das sogenannte Pali-Tuch, angelegt: ein politisches Statement, das mit dem Selbstverständnis des IfZ als proisraelisch schwerlich zu vereinbaren war – bis dato jedenfalls nicht. Was dann aber folgte, war ein »wertschätzendes Gespräch«, in dem die Besucherin gebeten wurde, das Tuch abzulegen.

Auf diese Episode nimmt auch der Report Bezug. Im Gespräch mit dem Gast, heißt es dort, sei klar geworden, »dass die Durchsetzung des Tuchverbots sein Ziel verfehlt und dass Situationen manchmal zu komplex sind, um sie mit einer unterkomplexen Regel zu lösen«. Einen Konsens, wie man auf das Zeigen der Kufiya auf Veranstaltungen zukünftig reagieren will, hat man offenbar nicht gefunden. »Teile der IfZ Crew glauben«, so der Report, »dass ein Keffiyeh-Verbot nicht mehr zeitgemäß ist und die eigene Rolle in einer weißen Mehrheitsgesellschaft nicht ausreichend reflektiert.«

Institut für Zukunft, Aufnahme von 2022

It’s not looking good: das Institut für Zukunft, Aufnahme von 2022

Bild:
Rio65trio-(CC BY-SA 4.0)

Diese Formulierung spielt darauf an, dass sich die Trägerin der Kufiya als »Israel-Jewish woman of color« beschrieb. Das IfZ begibt sich damit knietief in die Debatte über Sprech­orte und Identitäten, statt sich um Argumente zu scheren. Denn die Aussage, dass ein Kufiya-Verbot 2023 »nicht zeitgemäß« sei, wirft vor dem Hintergrund eines Erstarken des Antisemitismus doch Fragen auf. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Berlin zählte allein im vergangenen Jahr deutschlandweit 2.480 judenfeindliche Vorfälle. Jeder dritte Vorfall extremer Gewalt hatte einen islamistischen Hintergrund. Das »Pali-Tuch« als Symbol für antiwestlichen Antiimperialismus wird bis heute von Neonazis, Mitgliedern islamistischer Terrorgruppen und seit dem Sechstagekrieg 1967 von linken Antizionisten ge­tragen. Bei Israelhass-Demos in Deutschland sieht man das Tuch regelmäßig.

Das IfZ versucht, die Vorwürfe zu entkräften, und schreibt: »Eine einheitliche Positionierung von allen IfZ Mitarbeitenden zum hochkomplexen Israel-Palästina-Konflikt gab es nie und wird es auch nie geben. Unumstößlicher Konsens muss weiterhin die klare Haltung gegen Antisemitismus bleiben.«

Unumstößlich scheint dieser Konsens aber nur, solange der Begriff des Antisemitismus nicht mit Inhalt gefüllt wird, denn an anderer Stelle des Reports heißt es in Bezug auf einen Aufruf zu einer Demonstration gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit: »Von vielen BIPoCs wurde die Positionierung zu Israel und fehlende Kontextualisierung in Kombination mit dem Logo der IDF auf dem Flyer nicht nur als unsensibel wahrgenommen, sondern hat komplett in Frage gestellt, ob das IfZ ein sicherer Ort für sie sein kann.«

Zwar gibt es, so der Report, bei einem anderen Teil der Crew Bedenken, »dass jüdischen Personen, die im IfZ einen safer space sehen, dadurch Raum genommen wird«, und es wird betont, dass verschiedene Formen von Diskriminierung nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, dennoch bleibt die Frage: Wieso hat man sich nicht frühzeitig mit Symbolen wie der Kufiya aus­einandergesetzt?

Auf Anfrage der Jungle World nimmt die IfZ-Crew dazu Stellung: »Wir befürworten die Auseinandersetzung zu Antisemitismus und freuen uns über Menschen, die sich gegen Antisemitismus engagieren. Wir verstehen Antisemitismus nicht als Subform von Rassismus, sondern als Welterklärungssystem, und haben uns in der Vergangenheit auch immer wieder gegen Antisemitismus po­sitioniert.«

Man hat den Eindruck, dass der Club sich zwar gegen Antisemitismus positionieren, aber den Raum für »Israelkritik« zugleich offen halten will.

Man hat dennoch den Eindruck, dass der Club sich zwar gegen Antisemitismus positionieren, aber den Raum für »Israelkritik« zugleich offen halten will. Auch wird weder im Report noch in der Stellungnahme von israelbezogenem Antisemitismus oder von Terrorverharmlosung gesprochen. Bei der Kufiya geht es aber nicht um den Sprechort, sondern um ein Symbol des real existierenden Terrors gegen Juden und dessen Verherrlichung.

Im Report heißt es im Abschnitt »Aufgaben, die wir aktuell umsetzen«: »Wir führen noch dieses Jahr Workshops zu den Themen Trans- und Queerfeindlichkeit, Antirassismus und den Umgang mit Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt durch.« Der Begriff »Antisemitismus« fehlt hier auffälligerweise, ein Workshop zum Thema ist offensichtlich nicht geplant. Auf Nachfrage äußert sich das IfZ auch hierzu: »Es gibt eine Antisemitismus-AG im IfZ, die sich schon lange nicht mehr getroffen hat beziehungsweise erst kürzlich wiederbelebt worden ist. Diese inhaltlichen AGs arbeiten ehrenamtlich und autonom – der Club hat und will keinen Einfluss darauf haben, wer sich zu welchem Thema wie oft austauscht.«

Bislang war das IfZ ein Freiraum für queere Menschen sowie für alle, die von Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus betroffen sind. Es ist ein Ort der Solidarität, der Kunst und der zwischenmenschlichen Begegnungen. Solche Räume sind auch wegen der immer stärkeren Kommerzialisierung der Rave-Kultur bedroht. Angesichts der im Report thematisierten aktuellen Entwicklungen wünscht man sich, dass der Club weiterhin ein solcher Freiraum bleibt und Kritik auch ernst genommen wird. Das IfZ versichert zumindest: »Wir nehmen alle eingehenden Kommentare, sei es positives Feedback oder Kritik, wahr und besprechen sie.«