Der deutsche Säkularismus ­erweist sich oft als reaktionärer als der französische Laizismus

Gescheiterter deutscher Antilaizismus

Die deutsche säkulare Islam-Politik wird als erfolgreiche Alternative zum dogmatischen französischen Laizismus angepriesen. Die Integration der Muslime erfolge hier über die Religion, während Frankreich die Religionsausübung behindere, heißt es gelegentlich. Doch diese Auffassung erweist sich als reaktionäre deutsche Ideologie.
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Es ist die größte antisemitische Massenbewegung seit 1945: das Zusammenwirken von jungen Pro-Hamas-Milieus aus »intersektionalen«, »postkolonialen«, »antirassistischen« und »klima­bewegten« – überwiegend universitären – Gruppierungen mit einem aggressiven jung-islamistischen Straßenmob, das direkt zu Drohungen und Gewalttaten gegen Juden geführt hat. In dieser antisemitischen Querfront aus woken, weltoffenen Ungläubigen und tribalistischen Neojihadisten hat das Hamas-Pogrom vom 7. Oktober 2023 viele Phantasien beflügelt und bewirkt, dass erstmals offen ausgesprochen wurde, was sonst in Reden über den »Kontext« versteckt wird: Es handelt sich hier um eine aktualisierte Form des eliminato­rischen Judenhasses.

Bebildert wurde dieser unter anderem mit einem von Black Lives Matter Chicago verbreiteten Piktogramm eines Hamas-Gleitschirmfliegers, dessen Untertitel »I stand with Palestine« von anderen mit dem Zusatz »This is what decolonization looks like« ergänzt wurde. Der Unterschied zwischen den Nazis und der Pro-Hamas-Bewegung liegt nicht im Vernichtungswunsch, sondern im Niveau der militärischen Fähigkeiten.

Das Hauptziel der Hamas ist die Vernichtung Israels. Doch das militärisch organisierte Pogrom wirkt auch als Katalysator für den »Heiligen Krieg« in den westlichen Städten. Seit dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 von al-Qaida haben allein in ­Europa fast 200 islamistisch motivierte Attentate stattgefunden, bei denen rund 800 Menschen starben. Die meisten Opfer gab es in Frankreich. Warum es vor allem und immer wieder dieses Land trifft, meinen seit Jahren viele deutsche Medien beantworten zu können: Frankreich zahle die Zeche für seinen Laizismus.

Stéphane Charbonnier, der von Jihadisten ermordete Herausgeber von »Charlie Hebdo«, lehnte ein staatliches Mitspracherecht bei der Ausübung des Islam als Verstoß gegen das Laizitätsprinzip ab.

Vor allem nach den Anschlägen 2015 und 2016 auf die Redaktion von Charlie Hebdo, den Pariser Konzertsaal Bataclan und eine Menschenmenge in Nizza gab es eine Flut von scharfen Polemiken gegen den französischen Laizismus – auch von Linken: Die strikte Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften verhindere die Gleichstellung von Islam und Christentum, das durch den Laizismus garantierte Recht auf Gotteslästerung gehe viel zu weit, der franzö­sische Laizismus sei ein rassistisches Kampfmittel gegen den Islam. Bereits 2013 empfahl ein französisches Expertengremium in einem Bericht an den seinerzeit sozialdemokratischen Premierminister, Frankreich müsse sich der »arabisch-orientalischen Dimension« seiner Identität stellen und zusammen mit dem Laizismus seine »postkoloniale Haltung« aufgeben.

In der Zeit stand 2016: »Frankreich ist bei den Jihadisten das meistgehasste Land in Europa, weil Frankreich eine spezielle Form des Laizismus praktiziert.« Man müsse die Frage stellen, inwieweit der Laizismus den Staat in seinem Bemühen behindert habe, Migranten und Andersgläubige in die Gesellschaft einzugliedern. Die FAZ sagt es expliziter: »Es braucht mehr Religion, um Extremismus zu bekämpfen.« Viele Muslime nähmen die Laizität als einen Angriff auf ihre Religion wahr. Um Muslime integrieren zu können, müsse Religion stärker in den Vordergrund treten.

Die Taz hatte Frankreich bereits 2009 einen »intoleranten Laizismus« vor­geworfen. Die Welt bewertete den französischen Laizismus gleich als »totalitär« und behauptete: »Frankreich zelebriert seinen eigenen Untergang. Daran sind auch Auswüchse des Laizismus schuld.« Und weiter: »Um das vergleichsweise offene Religionsverfassungsrecht in Deutschland beneidet uns Frankreich.«
Im August 2023 gab es einen Aufschrei, als die Abaya, ein unter Musliminnen verbreitetes langes und lockeres Kleid, von französischen Schulen verbannt wurde. Solche Verbote verstießen nicht nur gegen die Freiheit der Religionsausübung, sondern diskriminierten muslimische Menschen. Ganz anders sei es in Deutschland, wo 2015 das Bundesverfassungsgericht klarstellte, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen nicht mit der im Grundgesetz garantierten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit vereinbar ist.

Seit Jahren wird die deutsche Islam-Politik als erfolgreiche Alternative zum französischen Laizismus angepriesen. Während Frankreich geradezu dogmatisch laizistisch sei, sei Deutschland einfach säkular. In Deutschland erfolge die Integration der Muslime über die Religion, während Frankreich die Religionsausübung behindere. Diesem Unterschied sei die viel geringere Zahl islamistischer Attentate in Deutschland zu verdanken.

Über andere Gründe für die relative Ruhe in Deutschland spricht man weniger gerne. Zum Beispiel über die innen- und außenpolitische Kumpanei mit dem politischen Islam, die Deutschland schon vor 9/11 zum beliebten Rückzugsort und Vorbereitungsraum für den legalistischen Islamismus wie auch für die terroristischen Fraktionen machte. Tatsächlich ist Deutschland schon lange ein beliebtes Ziel für radikalislamische Einwanderer. Es hat sich weltweit herumgesprochen, dass Deutschland ein relativ leicht erreichbares Betätigungsfeld für islamische Radikale ist. Die libanesische Miliz ­Hizbollah konnte hier sogar Lagerräume anmieten, um Vorräte von für die Sprengstoffherstellung geeignetem Ammoniumnitrat anzulegen, das 2020 im Hafen von Beirut explodierte.

Auch viele muslimische Flüchtlinge wollen lieber nach Deutschland als ins laizistische Frankreich. Der FAZ verrieten einige im Juli 2016 den Grund: »Muslime in Frankreich, so die These, erlitten dasselbe Schicksal wie die Palästinenser im Nahen Osten. Ursächlich für dieses Übel seien neben der zionistischen Unterwanderung der Medien der französische Laizismus und der Glaube an die Evolutionstheorie – denn dieser habe zu Degenerationen wie etwa der ›Ehe für alle‹ geführt.«

Schulen als Lernorte des Laizismus

Der Hauptstoß der Jihadisten richtet sich gegen die laizistische Schule, die in ihren Augen das Symbol der Republik schlechthin ist. Sie sehen darin den Ort, an dem Kinder nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern zu republikanischen Bürgern ausgebildet werden.

Die französische Schule ist zur Zielscheibe der Islamisten geworden, weil sie aus Prinzip zum freien Denken erzieht, ein Instrument der Emanzipation ist und weil die Republik mit ihren Versprechen von bürgerlicher Freiheit und der Gleichheit vor dem – mensch­lichen, nicht göttlichen – Gesetz, eine Antithese zur islamistischen Doktrin darstellt. Die jihadistische Gewalt gegen die französische Schule ist von langer Hand geplant. Sie soll diese Lernorte des Laizismus destabilisieren.

Die Jihadisten wissen, wo diese Schule eine große Schwäche hat: Lehrer lassen sich mit Drohungen und mörderischen Angriffen einschüchtern. Den Jihadisten genügt es, dass es um das Tragen der Abaya Kontroversen gibt. Dadurch können sie behaupten, Frankreich sei islamophob, weshalb alle Franzosen es verdienten, getötet zu werden.

Freiheit vom Terror durch Religion. Demonstranten solidarisieren sich 2015 nach den islamistischen Anschlägen in Paris auf der Marianne sitzend mit den Opfern aus der Redaktion von »Charlie Hebdo«

Freiheit vom Terror durch Religion. Demonstranten solidarisieren sich 2015 nach den islamistischen Anschlägen in Paris auf der Marianne sitzend mit den Opfern aus der Redaktion von »Charlie Hebdo«

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picture alliance / dpa / Maya Vidon-White

Die Angst vor der »Zensur der Mörder«, wie der britische Publizist Kenan Malik einst schrieb, wirkt. Nach der is­lamistisch motivierten Ermordung des Lehrers Dominique Bernard in Arras im Oktober geht die Angst um. Beim Lehrer Samuel Paty, den ein Jihadist nach einer Denunziation einiger seiner Schüler 2020 geköpft hatte, redeten sich einige noch ein, dass er ermordet wurde, weil er im Unterricht Mohammed-Karika­turen gezeigt hatte. Dominique Bernard hingegen wurde ermordet, nur weil er Lehrer war. Es ist jetzt klar, dass für die Jihadisten alle Lehrer potentielle Ziele sind, weil sie das Personal der verhassten laizistischen Schule bilden.

Einer Umfrage zufolge zensiert sich bereits die Hälfte der Lehrer aus Angst vor muslimischen Schülern und Eltern selbst. Anfang Dezember wurde nordwestlich von Paris erneut eine Lehrerin bedroht. Sie hatte Schülern im Rahmen eines Vortrags ein Gemälde des italienischen Malers Giuseppe Cesari aus dem 17. Jahrhundert gezeigt, auf dem eine Szene aus der griechischen Mythologie mit nackten Frauen zu sehen ist.

Muslimische Schüler der sechsten Klasse riefen sofort ihre Eltern auf den Plan, die dann die Lehrerin verbal angriffen, Gerüchte verbreiteten und Drohungen äußerten. Lehrer und Schulleiter wagten sich nicht mehr in die Schule, sie ist derzeit geschlossen. Das Kampffeld wird von den jihadistischen Propagandisten ständig erweitert. Die Lehrer der Schule berichten, dass inzwischen alle Werte der Republik und alle Inhalte der Schulfächer angegriffen würden. Besonders die freie Meinungsäußerung und der Laizismus würden immer weniger respektiert.

Gleichstellung der Religionen

Vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde 2006 der deutsche Säkularismus um eine speziell dem Islam gewidmete Institution erweitert: die Deutsche Islamkonferenz. Der deutsche Staat will einen »deutschen Islam, der zu einer pluralistischen Gesellschaft passt«. Als solcher soll er einen Platz im Staatskirchenrecht bekommen, das mittlerweile »Religionsverfassungsrecht« heißt. Dazu wurden zunächst Staatsverträge mit den Islamverbänden geschlossen und das leidige Thema ­Islamismus wurde ersetzt durch den Vorwurf der »Islamophobie« gegen alle Einwände. Inzwischen bevorzugt man den Begriff »antimuslimischer Rassismus«. In den staatlich beauftragten Studien zu diesem Thema dominieren intersektionale und postkoloniale Theorien.

Im schroffen Gegensatz zum französischen Laizismus geht es in Deutschland darum, das religiöse Feld insgesamt zu erweitern – unter dem Titel einer »Gleichstellung« von Islam und Christentum. Während in Frankreich die Gleichstellung des Islam mit dem Christentum darin besteht, das religiöse Heilsgeschehen aus dem öffentlichen und politischen Raum herauszuhalten und die Anhänger der konkurrierenden Kulte als Bürger gleichzustellen, geht es in Deutschland darum, Migranten als kulturell-religiöses Kollektiv anzusprechen. Nicht politische Partizipation und Anerkennung der Einzelnen, sondern eine »bessere religions- und gesellschaftspolitische Integra­tion der muslimischen Bevölkerung« als Kollektiv ist das erklärte Ziel der Islamkonferenz. »Integration« soll ausdrücklich über die »Stärkung der re­ligiösen Identität« erfolgen, also über religiöse Gruppenrechte statt über Bürgerrechte. Dieses reaktionäre Modell diskriminiert vorsätzlich säkulare Einwanderer.

Die Islamverbände sollen zu einem (akademisierten) deutschen Staatsislam umgebaut werden und die Rolle einer Minikirche neben den riesigen Apparaten der Staatskirchen spielen. Obwohl der Islam keine Kirche kennt und hier nur in Gestalt von Vereinen existiert, will man ihm ein Korsett verpassen, das dem Staatskirchenrecht angemessen ist.

Die christlichen Kirchen haben in Deutschland – anders als in Frankreich – eine Funktion der symbolischen Wahrung sozialer Ordnung. Die christlichen Kirchen in Deutschland sind dem Soziologen Max Weber zufolge »Träger und Verwalter des Amtscharismas« und als solche bilden sie den Gegenpol zu allen Minderheitenreligionen oder Sekten. Dieses Staatskirchenrecht hat sich in seinen Grundzügen erhalten und muss nun auf vielfältigere Heilsangebote angewendet werden. Bei der »Integration des Islam« spielt die evangelische Kirche eine bedeutende Rolle.

Zwecks »Gleichstellung des Islam mit dem Christentum« soll der Islam in Deutschland zu einem »deutschen Islam« umgeformt werden. Er soll nur anerkannt werden, wenn er sich »liberalisiert« und »reformiert«. Muslime, die als »strenggläubig« und »konservativ« gelten, sollen sich mit an deutschen Universitäten ausgebildeten Predigern abfinden.

Ein derartiges staatliches Mitspracherecht darüber, wie der Islam unterrichtet oder gepredigt wird, lehnte Stéphane Charbonnier, der von Jihadisten ermordete Herausgeber von Charlie Hebdo, als Verstoß gegen das Laizitätsprinzip ab. Er fand das »genauso absurd, wie wenn man Atheisten klarmachen wollte, wie sie atheistische Franzosen zu sein hätten«. Solange ein Religionsanhänger die Gesetze beachtet, ist er ein Bürger wie jeder andere. Und wenn nicht, so soll er nicht als Religionsanhänger, sondern als Straftäter verfolgt werden.

Auf den ersten Blick ist es unverständlich, dass der deutsche Staat konservative Islamverbände hofiert und Staatsverträge mit der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) und dem Islamischen Zentrum Hamburg abschließt, diese Organisationen aber gleichzeitig auf einen »deutschen Islam« verpflichten will. Es wird einerseits medial Druck auf die Moscheegemeinden ausgeübt, endlich deutscher zu werden, andererseits werden sie als Vertragspartner wenig in Frage gestellt.

Nicht zuletzt sollen sie eine »Brücke« zu den Jihadisten bilden. Der dezidiert nichtlaizistische Staat will den »Islamismus mit dem Islam bekämpfen« und sich selbst nicht mit Maßnahmen gegen antisemitische sunnitische und schiitische Gruppierungen exponieren. Die deutsche »Gleichstellung von Islam und Christentum« ist zudem eine Variation der reaktionären Forderung nach Assimilation, also zum Verzicht auf jede Differenz als Voraussetzung einer nur vage in Aussicht gestellten Akzeptanz. Die mehr als 2.000 Moscheegemeinden werden auch umworben als »Brückenbauer zu den Flüchtlingen« – da stört auch kein Antisemitismus – und trotzdem zugleich als reaktionär kritisiert, wenn sie sich mit einen vom Staat eingehegten »progressiven deutschen Islam« nicht anfreunden können.

Innerhalb einer Moschee sind die weltlichen Maßstäbe nicht gültig und somit ist es auch das Grundgesetz nicht.

Nicht wenige Linke, die materialistische Religionskritik für Rassismus halten, tragen diesen Druck auf die Moscheegemeinden mit. Auch antilaizistisch gesinnte Linke halten den dominanten Verbänden vor, einem rückwärtsgewandten Weltbild anzuhängen und werben zugleich für einen staatlich lizenzierten »guten Islam« ist, der zur weltoffenen antirassistischen Ber­liner Republik passt. Man erwartet, dass die Muslime auf ihre »außerreligiösen« Praktiken verzichten. Dazu wird alles gezählt, was über eine bloß spiri­tuelle Sinngebung für das weltliche Leben hinausgeht. »Die archaischen Gesetze des Islam dürften nicht über dem deutschen Grundgesetz stehen«, heißt es dann, und so sehen es am Ende viele, denen das Grundgesetz als die wirkliche »Heilige Schrift« gilt.

Dieses ständige Taktieren zwischen dem Hofieren der Moscheengemeinden und ihrer Behandlung als reaktionäre Subalterne, die sich der Einreihung in einen deutschen Staatsislam verweigern, ist ersichtlich die Folge ­einer deutschen Religionspolitik, die aus Rücksicht auf die christlichen Kirchen eine Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften verweigert. Die damit verbundene staatliche Einmischung in die religiöse Selbstverwaltung der Muslime wird gelegentlich mit der jihadistischen Gefahr begründet. Gerade um eine Radikalisierung zu verhindern, werde der »deutsche Islam« und die Religion überhaupt gebraucht.

Doch auch in Frankreich werden Prediger belangt, die in einer Moschee gegen Juden hetzen oder eine gesetzwidrige Fatwa verkünden, ebenso sind Verleumdung und die Verbreitung von Falschinformationen Straftatbestände. Die Verbreitung von Schriften, Internetseiten oder Videos, die Gewalt, Terroris­mus und Antisemitismus verherrlichen, wird strikt unterbunden. 2020 wurde eine Moschee im Pariser Vorort Pantin geschlossen, weil sie ein Video online geteilt hatte, das dazu aufgerufen hatte, Samuel Paty einzuschüchtern. Verboten wurde 2021 auch das islamis­tische »Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich«. 2022 wurde eine Moschee in Cannes wegen Anstiftung zu Antisemitismus und Unterstützung islamistischer Propaganda geschlossen.

Es braucht also weder Staatsverträge noch die Erfindung eines deutschen ­Islam, um gegen den Jihadismus vorzugehen. So erweist sich der deutsche Antilaizismus, der sich vom »islamophoben« französischen Laizismus nicht laut genug distanzieren kann, als reaktionäre deutsche Ideologie: Selbstverständlich haben die Aberglaubensgemeinschaften jedes Recht, auf der Einheit von religiöser Überlieferung, spiritueller Liturgie und Verbots- sowie Gebotskatalogen zu bestehen. Das deutsche Grundgesetz kann ihnen, soweit es um ihre Religion geht, völlig egal sein. Innerhalb dieser sind die weltlichen Maßstäbe nicht gültig und somit auch nicht das Grundgesetz. Es ist allein das Problem der Gläubigen, wie sie mit diesem »göttlichen« Überschuss nach Verlassen des Gottesdiensts mit ihrem Alltag in der säkularen Welt klarkommen, die sich um den Gut-und-Böse- beziehungsweise Halal-und-Haram-Vorschriftenkatalog nicht kümmert und dessen Ausgreifen auf den republikanischen Alltag nicht ­selten sogar durch Strafandrohung verhindert.

Genau hier wird wieder der Unterschied zwischen Laizismus und Antilaizismus wirksam. Während die Lai­zität jeden Gott einen guten Mann sein lässt, muss der deutsche Antilaizismus in die Moschee hineinregieren, weil er sie zur deutschen Staatsmoschee machen will.

Der riesige antisemitische postkolonial-jihadistische Mob der Hamas-­Unterstützer, der seit dem 7. Oktober in deutschen Städten bedrohlich aufmarschiert, zeigt, dass die deutsche antilaizistische Leitlinie »Es braucht mehr Religion, um Extremismus zu bekämpfen« gescheitert ist. Die französische laïcité war in den vergangenen 100 Jahren immer heftig umkämpft. Aber eine Demonstration von 100.000 Menschen unter der Losung »Für die Re­publik, gegen den Antisemitismus« gab es bis jetzt nur in Paris.