An der Bezahlkarte für Geflüchtete stört sich bei den Anti-AfD-Demonstrationen kaum jemand

Es macht einen Unterschied, wer ausgrenzt

Die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber ist ein Angriff auf die Selbstbestimmung und Würde geflüchteter Menschen. Hier zeigt sich beispielhaft, wie sehr die AfD trotz aller Proteste zu Deutschland gehört.
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Deutschland hält zusammen. Dafür stünden beispielhaft die Anti-AfD-Proteste, so die Süddeutsche Zeitung. Hier demonstriere man den Rechtsextremen erfolgreich, wer wirklich »das Volk« sei. Und denen, die von den rechtsextremen Abschiebepläne betroffen wären, beweise man: »Ihr gehört zu uns.«

Unverständnis gibt es hingegen für ein paar wenige, die den Sinn der Veranstaltungen der SZ zufolge nicht verstanden haben und ihre Hauptaufgabe fälschlicherweise darin sehen, »gleich wieder Menschen auszugrenzen«. Denn indem diese paar wenigen ihre Kritik nicht nur an die AfD, sondern ebenso an beispielsweise CSU, FDP oder Grüne richten, konterkarierten sie das eigentliche Ziel der Demonstrationen: »möglichst viele aus der Breite der Zivilgesellschaft dabeizuhaben«.

Menschen in Not sollen künftig gar nicht erst auf die Idee kommen, in Deutschland Schutz zu suchen.

Während die SZ davon faselt, niemanden ausschließen zu wollen, verwirklichen eben die, die nicht ausgeschlossen werden sollen, Pläne, die künftig Flüchtlinge ausschließen werden – also diejenigen, zu deren angeblichem Schutz noch immer Hunderttausende Menschen in der ganzen Bundesrepublik auf die Straße gehen. Denn um nicht mehr so viele abschieben zu müssen, sollen Menschen in Not künftig gar nicht erst auf die Idee kommen, in Deutschland Schutz zu suchen. Zu diesem Zweck haben sich Bund und Länder nun auf die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber verständigt.

Anstelle von Bargeld soll ab Sommer ein je nach Bundesland unterschiedlich hoher Teil der ihnen zustehenden Leistungen auf einer Karte gutgeschrieben werden. Damit kann nur noch in Deutschland eingekauft werden, und wenn es ein Bundesland so will, sogar nur in einer bestimmten Region. Überweisungen sind dann gar nicht mehr möglich.

»Wer illegale Migration reduzieren möchte, muss auch finanzielle Anreize für die Einreise minimieren«, argumentierte beispiels­weise Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Als wären es die sowieso schon lächerlich niedrigen Bargeldzahlungen, die Menschen dazu bewegen, einen Weg auf sich zu nehmen, der für nicht wenige mit dem Tod endet – und nicht Krieg, Hunger und Verfolgung. Die Befürworter der Guthabenkarte bilden sich zudem ein, indem man Überweisungen in die Herkunftsländer verhindert, werde Schlepperkriminalität bekämpft, weil sich die zurückgebliebenen Familien schlichtweg keine Schlepper mehr leisten könnten.

Die Einführung der Karte suggeriert, ein Problem zu lösen, dessen Existenz zweifelhaft ist.

Aber wie viel Geld kann bei maximal 460 Euro im Monat übrig sein, um es ins Herkunftsland zu überweisen? Tatsächlich überweisen Flüchtlinge erst dann etwas nach Hause, wenn sie in Deutschland arbeiten und Geld verdienen. Auf dieses Geld sind viele ärmere Länder des sogenannten Globalen Südens sogar angewiesen. Bleibt es aus, verschärfen sich die ökonomischen Krisen und noch mehr Menschen sind zur Flucht gezwungen.

Die Einführung der Karte suggeriert, ein Problem zu lösen, dessen Existenz zweifelhaft ist. Vielmehr wird damit ein Leben in abso­luter Abhängigkeit erzwungen, Selbstbestimmung beschränkt, die Teilhabe am Alltag erschwert und individuelle Bedürfnisse werden missachtet. Die Betroffenen sind dann auf den guten Willen der Bundesländer angewiesen. Denn jedes Land entscheidet selbst über die Höhe des Barbetrags und weitere Zusatzfunktionen der Karte. Sie dürfen zudem selbst bestimmen, auf welche Waren sie die Karten beschränken.

Selbst Händler warnen vor Problemen. Als Dienstleister für die Bezahlkarte kämen nur die in Frage, die sich auf eines der beiden gängigen globalen Zahlungssysteme stützen: Mastercard oder Visa. Mit ihnen kann man in Deutschland bislang jedoch bei weitem nicht überall einkaufen.

Vor allem kleine Händler scheuen bislang die Kosten, die mit der Einführung dieser Bezahlmethode verbunden sind. Die Geschäftsführerin der Chemnitzer Tafel, Christiane Fiedler, teilte Tag 24 mit, eine Bezahlkarte würde sie vor Riesenprobleme stellen. »Ein Kartenleser kostet zum einen Geld, das wir nicht haben. Außerdem funktioniert im Laden das Internet nicht, weil wir sehr dicke Wände haben.«

Der Kreis Märkisch-Oberland sieht vor, dass die Flüchtlinge einmal im Monat ins Landratsamt kommen, um die Karten aufzuladen. »Wir sind für diese Asylbewerber zuständig und ich möchte doch gern einmal im Monat wissen, wo die Flüchtlinge sich aufhalten«, so der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke (CDU).

Der Kreis Märkisch-Oberland sieht vor, dass die Flüchtlinge einmal im Monat ins Landratsamt kommen, um die Karten aufzuladen. »Wir sind für diese Asylbewerber zuständig und ich möchte doch gern einmal im Monat wissen, wo die Flüchtlinge sich aufhalten«, begründet der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke (CDU) paternalistisch. Hanke drückt damit nichts anders aus, als dass »Asylbewerber« wie Kleinkinder seiner Aufsicht und Kontrolle bedürften.

Überhaupt geht das rassistische Ressentiment dahin, die als Fremde Markierten als primitiv und triebgesteuert anzusehen. Es fordert deshalb den Staat als Erziehungsinstanz mit der harten Hand – um sowohl die Fremden vor sich selbst als auch andere vor ihnen zu schützen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte dementsprechend bereits an, dass die Bezahlkarte in seinem Bundesland »schneller und härter« kommen soll. Er wolle mit der Einführung vermeiden, dass die Geflüchteten ihr Geld etwa für Online-Shopping und Glücksspiel ausgeben.

Sie sollen also nicht mehr selbst entscheiden dürfen, womit sie ihren sowieso oft tristen Alltag hier und da etwas angenehmer gestalten. Nur noch Waren in Geschäften des täglichen Gebrauchs sind zulässig. Individuelle Bedürfnisse spielen keine Rolle mehr.

Das ist die gleiche gutdeutsche Überheblichkeit, mit der man obdachlosen Menschen kein Bargeld geben möchte. Sie könnten sich davon ja Alkohol kaufen und würden somit nie von der Straße wegkommen; als wäre der Alkohol das Problem.

Die Bezahlkarte ist ein Beispiel dafür, wie Menschen stigmatisiert und ausgegrenzt werden. So wie die SZ wollen anscheinend auch große Teile der »gegen rechts« Demonstrierenden nichts davon wissen. Verweise auf den Rassismus der sogenannten Mitte wurden auf den Anti-AfD-Protesten wiederholt ausgebuht und angegangen.

Die Frage drängt sich auf: Haben die Anti-AfD-Demonstranten überhaupt so etwas wie eine bestimmte Vorstellung von Gesellschaft, die jener der Rechten tatsächlich widerspricht?