Linke Feinde Israels behaupten ­kontrafaktisch, »gecancelt« zu werden

Die Uncancelbaren

Die »Cancel Culture« ist zurück. Die Klage, die einst von Rechten ins Feld geführt wurde, ist derzeit bei Teilen der Linken beliebt, die ihr Recht auf Israelkritik bedroht wähnen.

Eine restlos des Gehalts beraubte Debatte erkennt man daran, dass sich die Argumente drehen und wenden lassen, wie man will. Als in den vergangenen Jahren »Cancel Culture« zu einer rechten Kampfparole wurde, ließ sich eine solche Drehung gut beobachten. Linksliberale, die traditionell einem moralischen Relativismus zuneigen, mussten sich vorwerfen lassen, »Sprechverbote« zu verhängen, weil sie regressive Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit verurteilten. Konservative bis rechte Kräfte machten sich das libertäre Argument zu eigen, dass jede Einschränkung der freien Rede ein Bruch mit der Freiheit insgesamt darstelle, und sahen sich in einer Art mutigem Abwehrkampf gegen die vermeintlich drohende Meinungsdiktatur.

Dem wurde entgegnet, dass nicht die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde, sondern Diskriminierung nicht länger unwidersprochen bleiben solle. Damals gab es von linksliberaler Seite eigentlich nur Häme über das »Märchen von der Cancel Culture«, da die von dieser vermeintlich Betroffenen ihre Anklagen ja weiterhin in Feuilleton und öffentlich-rechtlichen Talkshows ausbreiten konnten.

Von rechts erklärte man dieses Argument zum »Märchen vom Märchen von der Cancel Culture«, einem weiteren Beleg ideologischer Diskursengführung. Weder konnten sich Konservative eingestehen, dass der Bezug auf Meinungsfreiheit allzu oft ein Ablenkungsmanöver war, um regressive Ansichten gegen Kritik zu immunisieren, noch kamen Linksliberale auf die Idee, dass vielleicht wirklich etwas faul sein könnte mit identitätspolitischen Maximen und einer verwalteten Sprache.

Dass antiisraelischer Protest in Deutschland »gecancelt« werde, ließe sich bereits mit einem Blick auf das Demonstrationsgeschehen widerlegen.

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