Der Angriff auf einen jüdischen Studenten ist das Ergebnis antiisraelischer Mobilmachung

Als Feind markiert

Ein jüdischer Student hat sich auf dem Campus der Freien Universität Berlin für Israel eingesetzt. Am Freitag vergangener Woche wurde er brutal zusammengeschlagen.
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Brüche an der Nase, an der Augenhöhle und dem Wangenknochen – das ist das Ergebnis eines antisemitischen Angriffs am Freitag vergangener Woche vor einer Bar am Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte. »Er verpasste mir ganz plötzlich einen Schlag von der Seite. Dann noch einen, und ich verlor meine Balance«, erinnert sich der 30jährige Lahav Shapira im Gespräch mit dem israelischen Fernsehsender Kanal 12 an seinem Krankenhausbett. »Als ich versuchte aufzustehen, trat er mir ins Gesicht.«

Offenbar wurde er zusammengeschlagen, weil er Jude ist und öffentlich für jüdische Belange und für Israel eintritt – auch an der Freien Universität Berlin (FU), wo er studiert. Der mutmaßliche Täter soll ein 23jähriger Kommilitone sein. Shapiras Begleitung an diesem Freitagabend zufolge hatte der Täter ihn auf eben jenes Engagement angesprochen, bevor er ihn brutal zusammenschlug. Denn entgegen der Behauptung der Polizei habe es keine politische Diskussion gegeben, bevor Shapira krankenhausreif geschlagen wurde, so die Familie und die Begleiterin. Der Täter sei sofort aggressiv auf Shapira zugegangen.

Lahav ist der Bruder des Satirikers Shahak Shapira. Beide wurden bereits zuvor Opfer von antisemitischen Angriffen. Schon 2010 wurde Lahav in Sachsen-Anhalt von Nazis als »Judenschwein« beschimpft und verprügelt. Sein Bruder wurde in der Silvesternacht 2014 in Berlin von einer Gruppe mit den Worten »Fuck Israel« und »Fuck Jews« erst beleidigt und dann angegriffen. Ihr Großvater, der israelische Leichtathlet Amitzur Shapira, war 1972 beim Münchener Olympia-Attentat von palästinensischen Terroristen ermordet worden.

Die Rhetorik der meisten israelfeindlichen Demonstrationen, die seit Oktober regelmäßig in Berlin stattfinden, beruht auf Dämonisierung: Israel gilt als das absolut Böse.

Seit dem 7. Oktober fällt die FU immer wieder als Spielwiese antisemitischer Aktionen auf. Jüdische Studierende haben berichtet, dass sie nicht mehr allein über den Campus gehen oder aus Angst ihren Davidstern verstecken. Auf einem Flyer, der auf dem Campus verteilt wurde, hieß es: »Israel hat über den 7. Oktober gelogen.«

Bei einer Demonstration vor dem Universitätsgebäude am 3. November stimmten Hunderte den Sprechchor an: »Von Dahlem bis nach Gaza – Yallah Intifada!« Und am 14. Dezember besetzte eine Gruppe namens »FU Students for a Free Palestine« einen Hörsaal. In den Vorträgen, die während der Besetzung gehalten wurden, wurde Israel das Existenzrecht abgesprochen. Die linksreaktionäre Gruppe Young Struggle habe dort betont, dass bei der Shoah »auch Kommunisten gestorben« sind; die sechs Millionen ermordeten Juden habe sie indes mit keinem Wort erwähnt, so das ZDF.

Vor dem Hörsaal gab es eine Rangelei. Shapira wurde der Zutritt zum Hörsaal verweigert, weil er Zionist sei, hieß es aus dem Umfeld der Besetzer. Im Hörsaal wiederum wurde skandiert, dass alle Zionisten Faschisten seien. Neuesten Berichten der Polizei zufolge hat auch der Tatverdächtige an der Besetzung des Hörsaals teilgenommen.

Ein anderer jüdischer Studierender berichtete dem ZDF, ihm sei bei der Hörsaalbesetzung gedroht worden: »Scheiß Zionisten, verpisst euch jetzt, denn das ist unsere Uni!« Der Hass, der sich unter dem Deckmantel der »Israelkritik« vermeintlich gegen »Zionisten« richtet, habe sich an anderer Stelle offener gezeigt, so der Bericht weiter: »Schämst du dich nicht, den Davidstern zu tragen?« Drohungen gegen jüdische Studierende am Campus nähmen zu. Der Angriff auf Shapira zeigt, dass den Drohungen auch Taten folgen können.

Die Rhetorik der meisten israelfeindlichen Demonstrationen, die seit Oktober regelmäßig in Berlin stattfinden, beruht auf Dämonisierung: Israel gilt als das absolut Böse. Dass eine Person, die sich dem israelfeindlichen Treiben entgegenstellt, zum Ziel von Anfeindungen bis hin zu körperlichen Angriffen wird, scheint da nur konsequent. Wer der Dämonisierung Israels widerspricht, wird in den Augen der Feinde Israels selbst zum Repräsentanten des absolut Bösen. Shapira war immer wieder auf Videoaufnahmen von be­sagten Demonstrationen dabei zu sehen, wie er sich diesen entgegenstellte.

In einer Whatsapp-Gruppe für Lehramtsstudierende sei darüber diskutiert worden, ob Shapira Jude sei. Jemand habe darauf geantwortet, dass die Juden nicht nur die Welt, sondern auch die Whatsapp-Gruppe regieren würden.

Schon im Dezember designierten antiisraelische Einpeitscher das künftige Gewaltopfer als Feind. »Merkt euch das Gesicht, den jungen Mann kennt man«, schrieb der User »benny_mrx« am 15. Dezember auf X, versehen mit zwei Bildern von Shapira. In einer Whatsapp-Gruppe für Lehramtsstudierende sei bereits vor der Besetzung darüber diskutiert worden, ob Shapira Jude sei, berichtete die Zeit. Jemand habe darauf geantwortet, dass die Juden nicht nur die Welt, sondern auch die Whatsapp-Gruppe regieren würden.

Entsprechend darf man von einschlägigen Akteuren auch keine Empathie für das Opfer eines solchen brutalen Angriffs erwarten. Der Sprecher der israelfeindlichen Gruppe »Palästina spricht«, Ramsy Kilani, verhöhnte in seiner Instagram-Story das Opfer. »Bin gespannt, was bei den Ermittlungen rauskommt«, war da zu lesen. Es folgten private Nachrichten des Opfers an Kilani – »zur Einschätzung, mit wem wir es hier ideologisch zu tun haben«.

Die Screen­shots zeigten freilich eher, mit wem man es bei Kilani zu tun hat: Die beiden tauschten unfreundlich-provokante Nachrichten aus, bis Shapira sarkastisch schrieb, die beiden hätten Freunde sein können, und Kilani mit einem roten Dreieck antwortet: das Symbol, mit dem die Hamas ihre Feinde und Angriffsziele markiert.

Auf X behauptete Kilani, die Aussagen Shapiras widersprächen dem Polizeibericht. Die antizionistische Organisation »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« gab auf X zwar zu verstehen, sie lehne solche Gewalttaten ab. »Vollständigkeitshalber sei aber gesagt: Es war nicht eine antisemitisch motivierte Tat, da das Opfer ein bekannter Provocateur auf Palästina-Veranstaltungen ist, der Teilnehmende auch schon körperlich angegangen hat.« Frei nach dem Motto: Gewalt ist scheiße – aber wer provoziert, hat es verdient.

Eine urdeutsche Logik: Der Jude hat Schuld am Antisemitismus. Der Angriff spricht eine klare Sprache: Wer sich an deutschen Universitäten für Israel einsetzt, riskiert einen unfreiwilligen Krankenhausaufenthalt.