Interview

2001/22 André Rattey, Schlagzeuger von Blumfeld

»Wir denken wie Martin Luther King«

Auf ihrem neuen Album »Testament der Angst« beschäftigt sich die Hamburger Band Blumfeld zwar verstärkt mit der Liebe, bleibt aber ihren politischen Anliegen treu und spricht das aus, was viele mal gesagt haben, aber heute nicht mehr zu denken wagen.

2001/21 Christian Ströbele zum Spendenskandal der CDU

»Es gibt Konturen einer Staatsaffäre«

Dass Helmut Kohl dieser Tage ausgerechnet dem sachsen-anhaltinischen Leuna einen Besuch abstattete, spricht für seine Dickköpfigkeit. Hatte doch in der vorigen Woche erst der ehemalige Präsident von Elf Aquitaine, Loik Le Floch-Prigent, bestätigt, Kohl im Sommer 1992 getroffen zu haben, um mit ihm über den Verkauf der Raffinerie in Leuna und die Übernahme des DDR-Tankstellennetzes zu verhandeln. Dabei sei es um »Lobbying«, also um Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe, gegangen.

Christian Ströbele ist seit 1998 Bundestagsabgeordneter der Grünen und Obmann seiner Fraktion im Spendenuntersuchungsausschuss.

2001/20 Salam Ali, irakischer Oppositioneller

»Wir stehen nicht auf der Lohnliste der CIA«

Auch in Deutschland hat eine Kampagne begonnen, die nicht allein die Aufhebung des Irak-Embargos, sondern auch eine Normalisierung der Beziehungen zum Regime Saddam Husseins fordert. Daran beteiligen sich Vertreter der Friedensbewegung und antiimperialistische Gruppen ebenso wie Deutschnationale und Faschisten. Auch Jürgen Möllemann (FDP), der die so genannten Friedensflüge nach Bagdad begrüßte, ist dabei. Alle diese Embargogegner ignorieren die Forderungen der irakischen Opposition. Deren Vertreter lehnen eine Rehabilitation des irakischen Regimes ab.

Salam Ali ist offizieller Sprecher des Londoner Human Rights Center der Irakischen Kommunistischen Partei.

2001/19 Spike Lee, Regisseur

»Gangster-Rap ist eine Minstrel-Show«

Das Kino hat die rassistische Geschichte von Minstrel und Blackface verdrängt. In Spike Lees Mediensatire »Bamboozled« kehren die Bilder des »dummen Niggers« mit Macht zurück. Die postironische Minstrel-Show wird zum Quotenhit, Blackface zum Afro-Chic. Ist die Ridikülisierung rassistischer Ikonografien eine geeignete Gegenstrategie?

2001/18 Gabi Zimmer, PDS-Vorsitzende

»Kein Kniefall vor der SPD«

Mauerbau, SED-Gründung, Antikapitalismus: Für so vieles mussten führende PDS-Genossinnen und -Genossen in den letzten beiden Wochen um Verzeihung bitten. Mit ihrer Entschuldigung für die Vereinigung von KPD und SPD 1946 und einem neuen Programmentwurf holt die PDS rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2002 nach, was Teile des Bundesvorstands schon vor über einem Jahr verlangten: das bedenkenlose Anschmiegen an die SPD.

Gabi Zimmer ist seit Oktober letzten Jahres Vorsitzende der PDS.

2001/17 Enzo Traverso über Norman Finkelstein

»Ein Objekt der Vereinnahmung«

Auch in Frankreich haben Norman Finkelsteins Thesen über die so genannte Holocaust-Industrie heftigen Widerspruch hervorgerufen - bis hin zu einer Anzeige wegen »Aufstachelung zum Rassenhass«.

Enzo Traverso gehört dem Kollektiv La Fabrique an, das Finkelsteins Buch veröffentlicht hat. Traverso, 1957 in Italien geboren, ist Dozent für politische Wissenschaften an der Universität in Amiens und Lehrbeauftragter an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

2001/16 Michel Fremont, französischer Atomkraftgegner

»In La Hague bleibt alles liegen«

»Wir sind nicht die Atommüllhalde für Deutschland«: Französische Atomkraftgegner kündigten letzte Woche nach den Atommülltransporten aus Deutschland in die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague weitere Proteste an.

Michel Fremont ist Aktivist des Crilan (Comité de réflexion, information et lutte anti-nucléaire), einer Organisation, die seit den achtziger Jahren besteht und aktivistische Ansätze der Anti-Atom-Bewegung mit der juristischen Auseinandersetzung um die Atomenergie zu verbinden sucht.

2001/15 Dusan Mihajlovic, serbischer Innenminister

»Wir handeln nicht auf Anweisung«

Als am vorletzten Wochenende der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic in Belgrad verhaftet wurde, war er für den Polizeieinsatz verantwortlich und führte die Verhandlungen: Serbiens Vize-Premier und Innenminister Dusan Mihajlovic. Der frühere politische Weggefährte Milosevics hofft nun darauf, dass sich auch andere ehemalige Mitarbeiter von ihrem einstigen Dienstherrn abwenden und bereit sind, über mögliche Vergehen Milosevics auszusagen.

Vergangene Woche befand sich Mihajlovic zu einem Arbeitsbesuch in Wien. Dort erklärte er, dass nach jugoslawischem Recht die Möglichkeit bestehe, Milosevic wegen seiner Verbrechen zum Tode zu verurteilen. Martin Schwarz sprach mit dem stellvertretenden Premierminister über die Vorwürfe gegen Milosevic, den Polizei-Einsatz und den psychischen Zustand des ehemaligen Staatschefs.

2001/14 Ariel Muzicant, Israelitische Kultusgemeinde in Österreich

»Man darf sich nicht verkriechen«

»Wie kann jemand Ariel heißen und soviel Dreck am Stecken haben?« Mit antisemitischen Äußerungen gegen Ariel Muzicant, seit 1998 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich, versuchte Jörg Haider vor den Wiener Landtagswahlen seine Wähler zu mobilisieren. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die politisch zurückhaltend agierten, nimmt Muzicant offensiv Stellung gegen Antisemitismus und Rassismus. Ebenso deutlich hat er sich über die Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern und über die Rückgabe arisierten jüdischen Eigentums geäußert. Nach der Bildung der blau-schwarzen Regierungskoalition vor einem Jahr exponierte sich der Präsident der Kultusgemeinde als vehementer Gegner der FPÖ.

2001/13 Christian Henkel, Mitarbeiter von Intershop

»Wer entlassen wird, muss sofort gehen

Wer reich werden will, geht auf den Neuen Markt. Diese Devise galt bis vor kurzem nicht nur für Aktienbesitzer, sondern auch für die Mitarbeiter der New Economy. Wie zum Beispiel beim Software-Haus Intershop (Jungle World, 3/01). Doch seitdem die Techno-Werte an der Börse in bodenlose Tiefen fallen, sind auch die Beschäftigten vor Entlassungen und Gehaltskürzungen nicht mehr sicher.

Christian Henkel * ist Mitarbeiter der Firma Intershop. Über den Crash am Neuen Markt und die neuen Arbeitsbedingungen in der New Economy wurde er befragte.