Interview

2001/12 Gabriele Brenner, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Weiden

»Aktive Juden sind nicht gerne gesehen«

Die Serie von antisemitischen Anschlägen im oberpfälzischen Weiden reißt nicht ab. Erneut beschmierten vermutlich rechtsextremistische Täter in der vergangenen Woche das Mahnmal gegen Rassenwahn, das an die von den Nazis deportierten und umgebrachten Weidener Juden erinnert (Jungle World, 42/00). Am selben Tag überfielen Neonazis einen Taxifahrer, schlugen ihn krankenhausreif und stahlen sein Taxi. Bisher ist unklar, ob die Festgenommenen mit den antisemitischen Anschlägen in Verbindung stehen.

Gabriele Brenner ist Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Weiden.

2001/11 Ulla Jelpke, PDS-Abgeordnete

»Halabja war Völkermord«

Vor 13 Jahren bombardierten irakische Kampfflugzeuge auf Anordnung Saddam Husseins die kurdische Stadt Halabja mit Giftgas. 5 000 Menschen starben, mehr als 10 000 wurden schwer verletzt. Am Freitag, dem Jahrestag des Angriffs, wird sich der Bundestag auf Antrag der PDS-Fraktion mit der Vernichtungsaktion beschäftigen. Ulla Jelpke, PDS-Abgeordnete und Mitautorin des Antrags, hat Anfang des Jahres die kurdische Autonomieregion im Nordirak besucht. Die 49jährige Hamburgerin ist seit 1990 innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und beschäftigt sich seit Jahren mit der Situation in Kurdistan.

2001/10 François-Xavier Verschave, französischer Autor

»Wohlwollen ist absolute Pflicht«

Seit der Verhaftung von Jean-Christophe Mitterrand, dem Sohn des früheren Präsidenten, ist der mafiose Charakter der französischen Afrika-Politik in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt (Jungle World, 5/01). Neuen Zündstoff liefert ein Prozess: Drei afrikanische Diktatoren mit besten Verbindungen zur politischen Klasse Frankreichs klagen gegen den Autor François-Xavier Verschave wegen »Beleidigung ausländischer Staatschefs«.

Verschave ist Vorsitzender der 1981 gegründeten Vereinigung Survie (Überleben). Seit 1996 gibt die Initiative eine Reihe von Dossiers Noirs (Schwarzbücher) über die französisch-afrikanischen Sonderbeziehungen heraus. Verschave ist Autor der Bücher »La Francafrique« (1998) und »Noir Silence« (April 2000).

2001/09 Karl Brozik, Jewish Claims Conference Deutschland

»Bei uns hat sich niemand erkundigt«

Ein gutes halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Entschädigungsgesetzes haben die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter immer noch keinen Pfennig von der deutschen Wirtschaft erhalten. Zudem weigert sich die Stiftungsinitative »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft«, die Abweisung der Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen in den USA als Zeichen der Rechtssicherheit zu akzeptieren. Seit der Veröffentlichung des Buches »Die Holocaust-Industrie« von Norman Finkelstein wendet sich die Entschädigungsdebatte gegen die Opfer.

Karl Brozik ist Geschäftsführer der Jewish Claims Conference in Deutschland.

2001/08 Naomi Klein, Autorin von »No Logo«

»Hipness heißt Angst haben«

Selbsthilfegruppe für Fashionvictims oder politische Bewegung? Seit dem Erscheinen ihres Buchs »No Logo« (Jungle World, 4/01) ist die kanadische Aktivistin Naomi Klein, Tochter einer feministischen Filmemacherin und eines linken Arztes, auf dem besten Weg, zur Ikone der Anti-Sweatshop-Bewegung zu werden. Die britische Times kürte Klein zur »wohl einflussreichsten Person der Welt unter 35«. Und der Londoner Observer nannte das Buch »the Capital of the growing anticorporate movement«. von »No Logo«

2001/07 Ercan Kanar, Rechtsanwalt, zur Situation in türkischen Gefängnissen

»Die Radikalen sollen beseitigt werden«

»Die weltweite Ächtung der Todesstrafe ist ein Kernziel der Bundesregierung«, erklärte letzte Woche Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Ihr türkischer Gast und Amtskollege, Hikmet Sami Türk, würde gar nicht widersprechen. Denn getötet wird in Istanbul und Ankara meistens ohne Urteil, wie bei der Erstürmung der Gefängnisse im Dezember (Jungle World, 02/01). Die Lage hat sich noch nicht entspannt: Politische Gefangene führen ihren Hungerstreik in mehreren Haftanstalten fort, während einige Anwälte und Intellektuelle auf einen Kompromiss mit der Regierung drängen. Einer von ihnen ist Rechtsanwalt Ercan Kanar, bis 1998 Vorsitzender des Menschenrechtsvereins (IHD) in Istanbul.

2001/06 Hartwig Berger, Abgeordneter der Berliner Grünen und Castor-Gegner

»Die wenigsten Leute sind Masochisten«

Der erste Atomtransport unter Rot-Grün steht bevor: Ende März sollen sechs Castoren aus der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) im französischen La Hague zur Lagerung ins niedersächsische Gorleben rollen. Über die Frage, ob die Transporte akzeptiert, kritisiert oder blockiert werden sollen, ist seit letzter Woche ein heftiger Streit bei den Grünen ausgebrochen. Während der Parteirat lediglich Demonstrationen unterstützt, rufen einige Landesverbände weiter zu Blockaden auf.

Hartwig Berger sitzt für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

2001/05 Meike Jäger, IG Medien

»Feste Arbeitszeiten sind ein Fremdwort«

Die Börsenkurse am Neuen Markt gehen nach unten, und auch die Bit- und Byte-Arbeiter werden mehr und mehr Probleme bekommen, diagnostizieren die Gewerkschaften. Doch der Organisationsgrad in der neuen Branche ist niedrig.

Meike Jäger von der IG Medien Hamburg überlegt, ob man mit Infoständen vor Startups oder mit lustigen Mail-Aktionen an die Workaholics und Nerds der neuen Medien herankommt.

2001/04 Meira Asher, israelische Musikerin

»Viele halten meine Musik für Dreck«

Bekannt geworden ist die israelische Musikerin und Performance-Künstlerin Meira Asher durch ihre experimentellen und provozierenden Produktionen jenseits des elektronischen Mainstreams. In Text und Musik hat sie immer wieder den Holocaust und den Nahost-Konflikt thematisiert. Auf ihrem letzten Album »Spears into Hooks« kombinierte Asher infernalischen Elektro-Noise mit Textfetzen aus religiösen Schriften. Zur Zeit studiert sie Sonologie in Den Haag; im kommenden Frühjahr soll ihr drittes Album erscheinen.

2001/03 Dieter Dehm, PDS

»Antifaschismus heißt Heimatpflege«

Die Parteivorsitzende gab den Startschuss: Seitdem Gabi Zimmer im Oktober letzten Jahres mit ihrem Liebesbekenntnis zu Deutschland »ein Tabuthema der Linken« anpackte, vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein PDSler die Nation für sich entdeckt.

Vergangene Woche nun schaltete sich der stellvertretende Bundesvorsitzende Diether Dehm in die Deutschlanddebatte der PDS ein. Der Vorschlag des ehemaligen Songwriters (»Das weiche Wasser bricht den Stein«): Die Linke solle »mit dem Begriff der deutschen Nation produktiv« umgehen und Schluss machen »mit der albernen Verwechslung von ðnationalÐ und ðnationalistischЫ. Stattdessen plädiert Dehm für die Verwendung des Begriffs »nationaler Internationalismus«.