Interview

2001/02 Christian Y. Schmidt über Joseph Fischer

»Von Rasierklingen weiß ich nichts«

Der Außenminister verrät der Republik sein Geheimrezept: Wie schafft man es von der Sponti-Szene ins Ministeramt? Die Fotos, die letzte Woche im stern erschienen sind, zeigen, wie Joseph Fischer auf einer Frankfurter Demo im April 1973 einen Polizisten verdrosch. Christian Y. Schmidt hat die Karrieresprünge des Ex-Spontis und Außenministers in seinem 1998 erschienenen Buch »Wir sind die Wahnsinnigen - Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang« nachgezeichnet.

2001/01 Mascha Madörin, feministische Ökonomin

»Managerfeelings und -debatten«

Ende Januar hält das World Economic Forum (WEF) im Schweizer Winterkurort Davos zum 31. Mal sein Jahrestreffen ab. Unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit finden informelle Treffen der internationalen Business Community mit Führungsfiguren aus Politik, Medien, Wissenschaft und so genannter Zivilgesellschaft statt. Die Genfer Stiftung, die von rund 1 000 weltweit führenden Unternehmen getragen wird, beschäftigt sich mit gesellschaftlicher Regulation im globalen Kapitalismus und schreibt sich erfolgreiche Verhandlungen zu, etwa bei der Uruguay-Runde im Rahmen des Zollabkommens GATT 1994.

Seit Mitte der neunziger Jahre wird der kapitalistische »Geist von Davos« zunehmend von internationalistischen Aktionen gestört. Dieses Jahr steht das WEF weit oben auf der Liste der Mobilisierungen. Mit der Schweizer feministischen Ökonomin Mascha Madörin, die in der Südafrika-Sanktionenbewegung und bei der Aktion Finanzplatz Schweiz-Dritte Welt gearbeitet hat, sprach

2000/50 Ramón Fernandez Duran

»Die Gegensätze werden eskalieren«

Eigentlich wollten die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Nizza die Ost-Erweiterung der Union festklopfen. Doch der Streit um die Stimmverteilung zeigte, dass die EU weit davon entfernt ist, ihre Entscheidungsfähigkeit auch nach der Aufnahme zwölf neuer Mitglieder in Osteuropa zu sichern. Bis 2004 sollen nun die Kompetenzen innerhalb der Union geklärt werden. Der Spanier Ramón Fernandez Duran ist Autor mehrerer Bücher über die EU.

2000/49 Ephraim Kleiman, Ökonomie-Professor an der Hebrew University

»Gaza ist nicht Bangladesch«

Die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern haben langfristige Auswirkungen auf die ökonomische Situation der beiden Gebiete. Schon seit den palästinensischen Selbstmordattentaten Mitte der Neunziger dürfen nur noch wenige Palästinenser legal in Israel arbeiten. Die momentanen Abriegelungen haben die Situation weiter verschärft.

Als 1993/94 in Paris Israelis und Palästinenser eine gemeinsame Freihandelszone vereinbarten, war Ephraim Kleiman dabei - als ökonomischer Berater der israelischen Delegation. Heute lehrt Kleiman Ökonomie an der Hebrew University in Jerusalem.

2000/48 Kwesi Owusu, Afrika-Koordinator von »Jubilee 2000«

»Jubilee 2000 hat Erfolge gehabt«

Mit der Kampagne »Jubilee 2000 - Drop the Debt« wird seit 1996 die Entschuldung armer Länder gefordert. Am 31. Dezember läuft die selbst gesetzte Frist zum Start in ein »schuldenfreies Jahrtausend« aus. Obwohl beim G 8-Gipfel im vergangenen Jahr in Köln die Streichung eines Teils der Schulden versprochen wurde und der Papst sowie Bill Clinton die Entschuldung befürworten, konnte bislang nur Uganda die hohen Anforderungen des IWF erfüllen und in den Genuss der Schuldenstreichung kommen. Die weltweite Kampagne wurde wegen ihrer marktgerechten Haltung u.a. von der unabhängigen Gruppe Jubilee South kritisiert.

Kwesi Owusu ist der Afrika-Koordinator von Jubilee 2000, einem Bündnis aus kirchlichen und entwicklungspolitischen NGOs.

2000/47 Zarko Korac, Sozialdemokratische Union, Jugoslawien

»Man kann nicht noch mehr Arbeiter feuern«

Während im serbischen Parlament die Sozialistische Partei (SPS) von Ex-Präsident Slobodan Milosevic weiterhin die meisten Abgeordneten stellt, hat die Mehrheit im jugoslawischen Bundesparlament bei den Wahlen Ende September gewechselt - zugunsten der langjährigen Opposition. Zarko Korac vertritt dort die 1996 von ihm gegründete Sozialdemokratische Union (SDU) und ist zugleich Vizepräsident des Parlaments. Die SDU, deren Vorsitzender Korac ist, zählte in den neunziger Jahren zu den Gruppen innerhalb der serbischen Opposition, die sich gegen die Sezessionskriege wandten. Vor den Präsidentschaftswahlen schloss sie sich mit 17 weiteren Parteien zur Demokratischen Serbischen Opposition (DOS) zusammen.

2000/46 Safter Çinar, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin Brandenburg

»Die Realität ist multikulturell«

Als es galt, die Demonstration »für Menschlichkeit und Toleranz« am 9. November vorzubereiten, hatte man sie nicht einmal eingeladen. Wenn auch verärgert, mobilisierte der Türkische Bund Berlin Brandenburg dann doch zu der Aktion. Trotz deutscher Leitkultur und rot-grüner Ausländerpolitik. 21 Vereine - vom Sportclub bis zum Frauenverein - sind in dem 1991 gegründeten Dachverband organisiert, um die Interessen türkischer Migranten und Migrantinnen zu vertreten. Safter Çinar, Sprecher des Türkischen Bunds Berlin Brandenburg und Stellvertretenden Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

2000/45 Sven Brux, Fanbetreuer

»St. Pauli hat ein großes Herz«

Glaubt man den Berichten der letzten Wochen, dann hat der deutsche Fußball im Moment kein größeres Problem, als dass ein mutmaßlicher Kokser beinahe Bundestrainer geworden wäre. Sven Brux, jahrelang im Fanladen des FC. St. Pauli tätig und mittlerweile beim Verein für die Organisation zuständig, verweist jedoch auf ganz andere Probleme von Fans und Clubs.

2000/44 Ilka Schröder, Europa-Abgeordnete der Grünen

»Grüne Positionen durchsetzen«

Nichts als Ärger haben die Grünen mit ihrer Europa-Abgeordneten Ilka Schröder. Im Sommer nervte sie die Partei mit der Forderung nach finanzieller Hilfe für Schleuser, nun wird die 22jährige Berlinerin für die chaotischen Verhältnisse in der deutschen Delegation der grünen Europaparlamentsfraktion verantwortlich gemacht. Wegen Schröders radikaler Position in der Flüchtlingspolitik trat vor zwei Wochen der Abgeordnete Ozan Ceyhun zur sozialdemokratischen Fraktion über, letzte Woche folgte ihm Wolfgang Kreissl-Dörfler.

2000/43 Erika Feyerabend, Gentechnologie-Kritikerin

»Keine Frage der Ethik«

Nach der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes durch Craig Venters US-Unternehmen Celera Genomics und das international geförderte Human Genom Project (Hugo) im Sommer ist der Streit um die Rechte an den humanen Gensequenzen voll entbrannt. Vergangene Woche billigte das Bundeskabinett den Entwurf eines Biopatentgesetzes, das die Patentierung von Genen und Naturstoffen regeln soll. Patente zum Klonen menschlicher Lebewesen werden damit zwar ausgeschlossen, die ensprechende, von der Bundesregierung mit dem Entwurf umgesetzte EU-Richtlinie jedoch lässt Spielräume offen.

Erika Feyerabend ist Journalistin und im deutsch-niederländischen Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften/Bio-Skop e.V tätig.