Interview

1999/09 Xelil Amed

»Die besten Kurden sind Apos Soldaten«

Nach den Protesten der vorletzten Woche konnte Bundesinnenminister Otto Schily am vergangenen Dienstag vermelden, nun habe sich die Lage wieder "einigermaßen entspannt". Aus Schilys Perspektive mag das stimmen, für die Kurden ist die Lage jedoch so angespannt wie selten zuvor. - Xelil Amed ist Sprecher der verbotenen Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) in Berlin.

1999/08 Shkelzen Maliqi

»Keine linke Option«

Der Publizist arbeitet heute in Pristina, der Hauptstadt der südserbischen Provinz Kosovo. Anfang der neunziger Jahre zählte er zu den Gründern der Sozialdemokratischen Partei des Kosovo, deren Vorsitzender er bis 1993 blieb. Danach verließ Maliqi die Partei und betätigt sich seitdem vor allem im parallelen Bildungswesen, das im Kosovo nach der Schließung der Schulen und Universitäten von der albanischen Bevölkerung aufgebaut wurde. Er ist Mitglied der von George Soros finanzierten Open Society Foundation und war Mitglied der kosovo-albanischen Delegation bei den Verhandlungen mit der Belgrader Führung im vergangenen Jahr.

1999/07 Abbas Maroufi

»Dieser Alptraum hat wohl nie ein Ende«

Der iranische Schriftsteller und Journalist Abbas Maroufi ist Herausgeber der seit 1996 im Iran verbotenen Kulturzeitschrift Gardun ("Himmelsrad"). Gardun versteht sich vor allem als Sprachrohr exil-iranischer Dichter und Publizisten. Mit seinen Romanen und politischen Essays zählt Maroufi wie Faradj Sarkuhi und Hushang Golshiri zu der jüngeren verfolgten exiliranischen Schriftstellergeneration. Im Januar 1996 wurde er wegen regimekritischer Äußerungen zu 20 Peitschenhieben und einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt, die Redaktion von Gardun wurde geschlossen. Noch im selben Jahr gelang ihm die Flucht nach Deutschland.

Als Herausgeber der Zeitung Gardun waren Sie im Iran von jahrelangen Zensurmaßnahmen und Schikanen betroffen.

1999/06 Diether Dehm

»Die PDS ist subversiv«

Zumindest die Plakate begrüßten ihn stürmisch: "Hurra, hurra, der Sänger mit den besseren Liedern ist da", hieß es vor zwanzig Jahren landauf, landab, wenn Diether Dehm, der sich damals noch "Lerryn" nannte, durch die Republik tingelte. Neben seiner Tätigkeit als Musikmanager schrieb er weitere Songtexte für Bots ("Das weiche Wasser bricht den Stein"), Klaus Lage ("Tausendmal berührt", "Faust auf Faust") und andere - bis seine Liedermacherkarriere 1988 im Verfassen der neuen SPD-Parteihymne gipfelte. Den Sozialdemokraten hatte Dehm bis dahin schon 20 Jahre lang die Treue gehalten, was sich im folgenden Jahrzehnt auszahlen sollte: Ein Kurz-Abstecher als Nachrücker in den Bundestag, ein Posten als ehrenamtlicher Stadtrat im Frankfurter Magistrat und zuletzt der Sitz im Bundesvorstand - als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Selbständige und Unternehmer - komplettierten die Partei-Karriere. Doch dann kamen 1996 die Stasi-Vorwürfe: Dehm habe von 1971 bis 1978 unter den Decknamen "Dieter" und "Willy" Freunde und Genossen bespitzelt. Prominentester "Ausgehorchter": Wolf Biermann. Der gesteht Dehm immerhin zu, ein "halsbrecherisch cleverer Doktor" zu sein - Tilman Fichter, heute Referent beim SPD-Vorstand, ergänzte die Beschreibung um den Hinweis, daß Dehm "besessen" von persönlichem Machterwerb sei. Nach seinem Wechsel von der SPD zur PDS im September 1998 wurde er Ende Januar zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

1999/05 Angelika Beer

»Die UCK provoziert«

Mit ihrer Aufforderung an die Konfliktparteien im Kosovo, Verhandlungen aufzunehmen, hat sich die Balkan-Kontaktgruppe (USA, Großbritannien, Deutschland, Rußland, Frankreich, Italien) am Wochenende nach Monaten wieder in den Konflikt in der südserbischen Provinz eingeschaltet. Bis zum 6. Februar sollen Kosovo-Albaner und die jugoslawische Regierung von Slobodan Milosevic in Rambouillet bei Paris zu Gesprächen zusammentreten - um innerhalb von zwei Wochen eine Autonomie-Regelung zu erreichen. Doch auch die Diplomaten kommen nicht ohne das militärische Drohpotential der Nato aus: Ebenfalls am Wochenende ermächtigten die Nato-Botschafter Generalsekretär Javier Solana, Luftangriffe auf Jugoslawien anzuordnen, wenn die Kosovo-Befreiungsarmee UCK und die serbischen Einheiten ihre "internationalen Verpflichtungen" nicht einhielten. Selbst wenn es zu einer Friedensregelung kommen sollte, wären nach Nato-Schätzungen zwischen 30 000 und 200 000 Soldaten nötig, diese durchzusetzen.

Angelika Beer ist verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

1999/04 Heidi Lippmann-Kasten

»Schröder ist hilflos«

Neue Aufgaben für die Bundeswehr: Geht es nach Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dann kämpft die starke Truppe bald erstmals auf dem Boden.

Ob mit oder ob ohne UN-Mandat - wenn es gegen Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Milosevic geht, will Schröder nicht hintanstehen. Schließlich geht es um Deutschlands neue Verantwortung in der Welt. "Wir handeln in und mit der internationalen Staatengemeinschaft, und angesichts dessen kann man nichts ausschließen", drohte er am Wochenende und war sich zugleich "sicher, daß die beschriebene Option in der Koalition und in unserer Gesellschaft verstanden und akzeptiert wird".

Heidi Lippmann-Kasten saß von 1994 bis 1998 für Bündnis 90/Die Grünen im niedersächsischen Landtag. Nach ihrem Parteiwechsel im vergangenen Jahr ist sie nun Abrüstungspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion

1999/03 Richard Stöss

»Union will Ausländerfeinde integrieren«

Jetzt geht's los! Seit dem vergangenen Wochenende läuft bundesweit die Unterschriftenaktion der CDU/CSU gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft. Die Kampagne, die dem Volk eine Stimme verleihen soll - das verzweifelte Aufbäumen einer in die parlamentarische Opposition gedrängten Union? Oder sollen die innerparteilichen Widersacher am rechten Rand gebunden werden? Richard Stöss ist Parteienforscher und Professor für Empirische Politische Soziologie an der Freien Universität Berlin.

1999/02 Ralf Syring

»Die Uno wird Angola verlassen müssen«

Im Dezember flammte der Bürgerkrieg in Angola zwischen der Regierung und der rechtsgerichteten Unita wieder auf. Die Vermittlungsversuche der UN sind damit de facto gescheitert, in Angola tätige Nichtregierungsorganisationen kommen verstärkt unter Druck.Ralf Syring ist Mitarbeiter von medico international in Angola.

1999/01 Michael Müller

»Atom-Ausstieg heißt Modernisierung«

"Gemeinsam mit der Energiewirtschaft sollen die Weichen gestellt werden für den Weg zu einem neuen, zukunftsfähigen Energiemix ohne Atomkraft", hatten SPD und Bündnisgrüne im Oktober in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben. Innerhalb der ersten 100 Regierungstage schon sollte eine Novelle zur Änderung des Atomgesetzes in den Bundestag eingebracht, die Entsorgung von radioaktiven Abfällen auf die direkte Endlagerung beschränkt werden. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hielt sich an den Zeitplan, legte einen solchen Entwurf Mitte Dezember dem rot-grünen Kabinett vor - und wurde von Bundeskanzler Schröder ausgebremst: Die Novelle müsse zunächst mit dem Wirtschaftsministerium abgesprochen werden, erklärte der Kanzler, das Ende der Wiederaufarbeitung des Atommülls könne zudem nur im Konsens mit den Energiebetreibern erfolgen. Der Beginn des Ausstiegs aus dem Ausstieg? Eine Woche später dann der nächste Streit: Trittin löste die beiden - bislang konzernfreundlichen - Atom-Beratungsgremien der Regierung auf, woraufhin Schröder seinem Umweltminister "wichtigtuerisches Gehabe" und "parteipolitische Symbolik" vorwarf.
Michael Müller ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

1998/52 Udo Steinbach

»Die militärische Option ist nicht sinnvoll«

Die Begründungen für die US-amerikanischen und britischen Militärangriffe auf den Irak in der vergangenen Woche waren einfach: "Es geht um die Zerstörung der Fähigkeit des Irak, Massenvernichtungsmittel herzustellen" (US-Präsident Bill Clinton); "Die Raketen und Bomben der 'Operation Wüstenfuchs' zielten allein auf militärische Objekte" (US-Verteidigungsminister William Cohen). Eines kommt jedoch nicht vor: Das noch während der letzten Irak-Krise vor vier Wochen von britischen und US-Politikern formulierte Ziel, Saddam Husseins Regime müsse endlich gestürzt werden. Udo Steinbach ist seit 1976 Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg. Er ist Autor und Mitherausgeber der Handbücher "Der Nahe und Mittlere Osten" sowie "Der Islam in der Gegenwart".