Die sogenannte Ostidentität hat neue Fürsprecher

Ostdeutsche Unschuld

Die Ehrenrettung des »Ossis« scheint ein neues Feld von Identitätspolitik zu werden. Einige Autoren wollen mit vermeintlichen »Fremdzuschreibungen« und Mythen über Ostdeutsche und die DDR aufräumen und fordern Wertschätzung der »Ostidentität«.

Anfang Mai in der ostdeutschen Provinz: Im Spiegelsaal des Schlosses Rheinsberg ist gerade eine Buchvorstellung zu Ende gegangen. Ein älteres Paar, das bereits mit dem Applaus vor die Tür getreten ist, am Idiom klar als Brandenburger zu erkennen, ist nicht wirklich zufrieden mit der Veranstaltung. »Ich dachte, das wird ein akademischer Vortrag, aber der hat ja nur über Gefühle geredet«, sagt der Mann. »Und wie!«, sagt die Frau. »Im privaten Rahmen klingt der wahrscheinlich genau wie dieser Springer-Typ da, nur andersrum.« Beide lachen.

Das muss man dem Vorstandsvor­sitzenden des Axel-Springer-Verlags ­Mathias Döpfner lassen: Mit seinen kürzlich an die Presse durchgestochenen Textnachrichten ist es ihm gelungen, in gleich mehreren laufenden Debatten immer wieder zitiert zu werden. So auch in einer neu entflammten Diskussion über Ostdeutschland, die auf zwei Buchveröffentlichungen der Historikern Katja Hoyer beziehungsweise des Leipziger Literaturprofessors Dirk Oschmann folgte. »Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig«, schrieb Döpfner und hätte es damit zweifellos in beide Werke geschafft, wären die nicht schon gedruckt gewesen. Immerhin können sich Hoyer und Oschmann nun in Interviews auf Döpfner beziehen, was beide auch gerne tun. Schließlich geht es in ihren ansonsten sehr unterschiedlichen Publikationen im Kern darum, ostdeutsche Befindlichkeit gegen fortdauernde West-Arroganz zu verteidigen.

Jenseits der Mauer
»Beyond the Wall« (Jenseits der Mauer) lautet der Originaltitel von Hoyers kleiner DDR-Geschichte. Die Historikerin lebt seit vielen Jahren in London, publiziert vorwiegend auf Englisch und hat auch dieses Buch zunächst für den englischsprachigen Buchmarkt geschrieben. In fluffigem Stil macht sie ihre Leser mit einigem Grundsätzlichen über die DDR vertraut – von den Biographien ihrer Gründer bis zur Selbstauflösung des Staats 1990.

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