Im traurigen Hier und Jetzt
Ich bin im Zug, auf dem Weg zum Kibbuz Be’eri. Be’eri liegt im Otef Azzah, dem Gürtel an israelischen Bezirken, der sich um den Gaza-Streifen legt. Warum ich dorthin fahre? Weil ich eingeladen wurde. Weil ich in den Monaten seit Oktober zu allem ja sage. Und selbstredend zu einer Einladung aus dem Kibbuz Be’eri. Siebenundneunzig seiner Mitglieder wurden entweder am 7. Oktober oder in Geiselhaft ermordet, zehn weitere werden noch immer als Geiseln festgehalten. Verrotten in irgendeinem Tunnel.
Aber das ist nicht der einzige Grund. Etwas zieht mich dorthin. Was genau? Ich hoffe, dass mir das unterwegs klarwerden wird.
Normalerweise sind Zugfahrten in Israel die beste Gelegenheit, um mich für meine Geschichten inspirieren zu lassen. Die Leute reden unüberhörbar laut am Handy, und alles, was man tun muss, ist zu lauschen: Beziehungsdramen in Echtzeit, Erbstreitigkeiten, Kindheitserinnerungen. An normalen Tagen ist es eine echte Goldmine – aber nicht in Kriegstagen. In Kriegstagen ist es still im Waggon. Alle sind in ihre eigenen Sorgen versunken. Und je weiter der Zug in den Süden fährt und sich den Kampfgebieten nähert, desto leerer werden die Abteile. Bis an der Endhaltestelle nur noch zwei Soldaten und ich aussteigen.
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