Eine Installation in Berlin ­erinnert an die Geiseln der Hamas

Gegen das Vergessen der Geiseln

Leere Stühle und ein nachgebauter Hamas-Tunnel – mit der Installation »Platz der Hamas-Geiseln« macht eine israelische Initiative am Berliner Bebelplatz auf das Leid der Geiseln und ihrer Angehörigen aufmerksam. Einen Tag nach der Eröffnung gab es die erste antisemitische Schmiererei.

Der Bebelplatz heißt bis zum 6. Juni symbolisch »Platz der Hamas-Geiseln«. Träger des dazugehörigen Projekts ist die israelische Stiftung »For Yarden«, die dabei von vielen jüdischen und nicht­jüdischen Organisationen unterstützt wird. Bei der bewegenden Eröffnung am 16. Mai standen die Angehörigen der Geiseln im Mittelpunkt. Sie waren aus Israel angereist, um in eindringlichen Worten die Befreiung der 132 immer noch Entführten zu fordern. Hunderte Gäste waren gekommen, um die Eröffnung der Installation mit dem »Hamas-Tunnel« und die 132 leeren Stühle zu sehen, auf denen die Fotos der Geiseln befestigt waren, und die Worte der Angehörigen zu hören. Schon wenige Minuten nach der offiziellen Eröffnung verkündeten die Veranstalter einen Einlassstopp, so groß war der Andrang.

»Israel war lediglich erst der Anfang«, sollen die Hamas-Terroristen gesagt haben. Das berichtete Yarden Roman-Gat von ihrer Geiselhaft.

Eigens angereist war an diesem Tag beispielsweise Alon Gat aus dem Kibbuz Be’eri. Seine ganze Familie wurde am Morgen des 7. Oktober überfallen, entführt oder ermordet. Er konnte sich und die dreijährige Tochter Geffen noch in Sicherheit bringen. Gemeinsam mit seiner Frau Yarden, Namensge­berin der Stiftung, waren sie bereits in Auto der Terroristen gepfercht, das Richtung Gaza-Streifen fuhr. An einer Stelle schafften es alle drei, aus dem Auto zu springen. Alons Frau Yarden hatte ihn aufgefordert, mit dem Kind wegzurennen – in der Hoffnung, dass er als der Schnellere von beiden wenigstens das Kind retten könne. Alon und seine Tochter konnten sich in Sicherheit bringen; seine Frau nicht.

Nach 54 Tagen kam Yarden im Zuge eines Austauschs zusammen mit anderen Geiseln frei. Aus der Gefangenschaft habe sie Alon von Gesprächen der Terroristen berichtet. »Israel war lediglich erst der Anfang«, sollen sie gesagt haben; und auch, dass es in Deutschland genügend Kämpfer der Hamas gebe.

»Meine Schwester Carmel ist aber immer noch dort. Sie ist ganz alleine«, sagte Alon Gat in seiner Ansprache. Freigelassene Geiseln hätten ihm berichtet, dass Carmel, eine Yoga-Leh­rerin, den Gefangenen Yoga und Meditation beigebracht habe, um sie zu stärken. Inzwischen wisse man gar nicht, wo sie sei und ob sie überhaupt noch lebe. »Carmel wird heute 40 ­Jahre alt, heute ist ihr Geburtstag«, sagte Gat. »Stellen Sie sich vor, dass Ihre Schwester ihren Geburtstag mit Terroristen begeht, die jeden Tag Frauen ­vergewaltigen, ermorden, missbrauchen.«

Das Baby der Familie Bibas wurde in der Geiselhaft ein Jahr alt

Herut Nimrodi sprach von ihrem inzwischen 19jährigen Sohn Tamir. Zuletzt hatte sie ihn in einem Video der Hamas gesehen; aufgenommen am Tag des Terrors. »Er hatte sein Gesicht bedeckt, damit sie ihn nicht schlagen können. Er war barfuß, noch im Schlafanzug. Er trug seine Brille nicht, ohne die er fast nichts sehen kann.« Sie betonte zudem, dass es die Terroristen nicht interessiert habe, wen sie da entführten: »Mein Sohn hat für eine humanitäre Organisation gearbeitet. Sie haben ihn trotzdem entführt.«

Auch ein Onkel der entführten Familie Bibas aus dem Kibbuz Nir Oz nahm an der Eröffnung teil. Das rothaarige Baby der Familie, Kfir, wurde in der Geiselhaft ein Jahr alt. Die Bilder der verzweifelten Shiri Bibas, die mit ihren beiden Kindern im Arm von den Hamas-Terroristen verschleppt wurde, gingen um die Welt. Seitdem gab es kein Lebenszeichen mehr. Das ist Teil der perfiden Strategie der Hamas. Sie lassen die Angehörigen in Ungewissheit.

Es wurde viel geweint bei der Er­öffnung des Platzes der Hamas-Geiseln. Aber es gab auch klare Kritik an der deutschen Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte. »Wie viel Zement der Hamas-Tunnel hat Deutschland durch Entwicklungshilfe mitfinanziert?« fragte Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, auf der Bühne und forderte, humanitäre Hilfe nicht mehr kritiklos zu verteilen und endlich zu verhindern, dass Gelder in Terrorstrukturen fließen. Ebenso war das Leid der Menschen im Gaza-Streifen Thema an diesem Abend. Beck ­betonte hierbei jedoch: »Alles Leid in diesem Krieg geht auf das Konto der Hamas.«

Viele der gut 70 Freiwilligen, die ­gemeinsam mit einer eigens engagierten Rund-um-die-Uhr-Security auf das ­Projekt am Bebelplatz aufpassen, berichten von überwiegend positiven Reaktionen. Passanten und Touristen zeigten sich berührt und empathisch, insbesondere nachdem sie in der Attrappe des Hamas-Tunnels eingesperrt waren.

Einen Tag nach der Eröffnung entdeckten freiwillige Helfer, dass ein Banner, das außen am Zaun der Installation angebracht ist, mit einem roten Dreieck beschmiert worden war. Mit diesem Symbol markiert die Hamas ihre Terrorziele. In den sozialen Medien wird das Symbol genutzt, um Kri­tiker des islamistischen Terrors zu markieren und einzuschüchtern.

Bei einer »Fridays for Israel«-Kundgebung vor der Hum­boldt-Universität formte ein junger Mann mit Palästinensertuch ein Dreieck mit seinen Händen, als Teilnehmer mit ihm diskutierten. Die Polizei nahm keine Anzeige auf. Nach Ansicht des Landeskriminalamts ist die Verwendung des Terrorsymbols keine Straftat.

Viele der gut 70 Freiwilligen, die ­gemeinsam mit einer eigens engagierten Rund-um-die-Uhr-Security auf das ­Projekt am Bebelplatz aufpassen, berichten der Jungle World von überwiegend positiven Reaktionen. Passanten und Touristen zeigten sich berührt und empathisch, insbesondere nachdem sie in der Attrappe des Hamas-Tunnels eingesperrt waren. Von vereinzelten »Free Palestine«-Rufen vor dem Eingang wollen die Freiwilligen sich nicht stören lassen.

Der Platz soll auch dazu dienen, israelsolidarische Menschen zusammenzubringen und Hoffnung zu spenden. Auf der Bühne steht nun ein gelbes Klavier mit den aufgeklebten Worten »You are not alone« (Du bist nicht allein). Es soll an Alon Ohel erinnern, einen jungen ­Pianisten, den die Hamas vom überfallenen Musikfestival Supernova entführt hat.