Susanne Siegert, Online-Marketing-Managerin und Tiktokerin, im Gespräch über historisch-politische Bildung bei Tiktok

»Tiktok bietet den großen Vorteil der Freiwilligkeit«

Unter dem Account-Namen »Keine.Erinnerungskultur« klärt die Wahlleipzigerin Susanne Siegert in sozialen Medien über die Shoah auf. Auf Tiktok – wo sie ihre Inhalte mit dem Slogan »Das lernst du in der Schule nicht über Nazi-Verbrechen« bewirbt – folgen ihr knapp 200.000 Menschen, bei Instagram 88.000, einige ihrer Beiträge wurden über eine Million Mal angesehen. Sie plädiert für neue Formen der Auseinandersetzung mit dem Holocaust.
Interview

Auf dem aktuellen Titel der deutschen Vogue posiert die Zeitzeugin Margot Friedländer. Was war Ihr erster Gedanke zu dieser Wahl?
Es ist so schön zu sehen, dass eine Holocaust-Überlebende mal in einem solchen Kontext präsentiert und nicht immer nur für eine Rede an Gedenktagen in den Bundestag eingeladen wird. Ich finde eine Titelgeschichte in einem Magazin so viel respektvoller und wertschätzender, als einfach nur zu sagen: Stell dich hin und sag, was wir hören wollen. Eigentlich krass, dass das bisher noch nicht gemacht wurde.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass die Gedenkarbeit viel zu sehr auf den Schultern der Überlebenden der Shoah laste. Warum sehen Sie das kritisch?
Es ist schon frech, dass der Aufbau von Gedenkstätten fast immer von Über­lebenden angestoßen werden musste. Nahe meinem Heimatort in Bayern gab es ein großes Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, das Außen­lager Mühldorfer Hart. Dort gibt es heute nicht mal einen Gedenkort, da ist eigentlich nur eine Gedenktafel mit ein bisschen Weg dorthin. Die Tafel gibt es auch nur, weil der 2016 verstorbene Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, einer der Überlebenden des Mühldorfer Harts, Max Mannheimer, vor Jahren bei dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer vorgesprochen hat. Daran wird deutlich, was einige Überlebende auf sich nehmen mussten.

»Gibt es in Deutschland einen anderen Ort, an dem gleichzeitig so viele junge Menschen versammelt sind wie in sozialen Medien? Ich glaube nicht.«

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