Interview

2002/23 Dan Tamir, Offizier der israelischen Armee, zur Befehlsverweigerung

»Die Besatzung bedroht Israel«

Dan Tamir ist Offizier der israelischen Armee und Aktivist der israelischen Friedensgruppe Yesh Gvul. Sie entstand 1982 im Zuge der Intervention im Libanon und unterstützt Soldaten dabei, repressive Maßnahmen gegen Zivilisten abzulehnen. Seit Ausbruch der »Al-Aqsa-Intifada« haben 1 100 israelische Militärangehörige, darunter viele hochrangige Offiziere sowie einige weibliche Armeeangehörge, bestimmte Befehle verweigert. Manche von ihnen, so auch Dan Tamir, wurden für einige Wochen inhaftiert.

2002/22 Graeme Atkinson, Redakteur der britischen Zeitschrift ðSearchlightÐ

»Die BNP ist eine Nazipartei«

In Großbritannien häufen sich antisemitische Übergriffe, und die rechtsextreme British National Party (BNP) konnte bei den Lokalwahlen am 2. Mai Stimmengewinne verzeichnen. Sie erhielt durchschnittlich 18 Prozent der abgegebenen Stimmen, im nordenglischen Oldham sogar 27 Prozent.

Graeme Atkinson ist Europa-Redakteur der britischen antifaschistischen Zeitschrift Searchlight. Im Moment befindet er sich auf einer einwöchigen Informationstour in Deutschland. Benjamin Dierks sprach mit ihm über den Wahlerfolg der Rechtsextremen und über den Antisemitismus in Großbritannien.

2002/21 Der kolumbianische Anwalt Alirio Uribe Muñoz über Straflosigkeit

»Alles ist für den Krieg vorbereitet«

Seit Ende Februar wird in Kolumbien wieder gekämpft. Damals hatte Präsident Andrés Pastrana der Armee grünes Licht gegeben, die der Farc-Guerilla zugerechnete entmilitarisierte Zone wieder unter Kontrolle zu bringen. Obwohl bei den Kämpfen auch viele Zivilisten zu Tode kommen, werden Soldaten und Paramilitärs nur selten belangt.

Alirio Uribe Muñoz ist Präsident des kolumbianischen Anwaltskollektivs »José Alvear Restrepo«, einer vor 22 Jahren gegründeten NGO. Muñoz wurde oft von Paramilitärs bedroht, rund um die Uhr ist er von Sicherheitskräften umgeben.

2002/20 Der Anwalt Michael Hausfeld zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter

»Die Vereinbarungen werden verletzt«

Das Ringen um die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter schien beendet. Nach zwei Jahren einigten sich Ende 1999 Vertreter der Opfer mit Unterhändlern des deutschen Staates und deutscher Firmen auf eine Summe von zehn Milliarden Mark. Nachdem die US-Regierung dem zentralen deutschen Anliegen nachkam und weiteren Klagen in den USA vorbeugte, stellte der Bundestag im Mai vorigen Jahres die so genannte Rechtssicherheit fest und eröffnete den Weg für die Auszahlungen.

Der Anwalt Michael Hausfeld war an den Verhandlungen beteiligt. Kürzlich hat er in New York eine Klage eingereicht, mit der er die US-Regierung dazu bewegen will, Druck auf die Deutschen auszuüben.

2002/19 Die Wissenschaftlerin Shalini Randeria über die Macht der WTO

»Niemand will verantwortlich sein«

Die einzige Möglichkeit, die Welthandelsorganisation (WTO) zu refomieren, liege in ihrer Abschaffung, argumentieren ihre Kritiker. Die Institution selbst hingegen hält das für eine Dämonisierung ihre Tätigkeit und verweist auf ihre Funktion als Vermittlerin bei internationalen Handelsfragen.

Bei ihrer gerade angelaufenen neuen Verhandlungsrunde sollen Protektionimus und Subventionen vor allem in den Industrienationen abgebaut werden. Nur damit seien die so genannten Entwicklungsländer besser in die Weltwirtschaft zu integrieren. Eine Argumentation, die wenig glaubhaft wirkt, da sich die Länder des Nordens kaum an die WTO-Vorgaben halten.

Shalini Randeria ist Professorin für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Schwerpunkt Nichtregierungsorganisationen (NGO) und internationale Institutionen.

2002/18 Der Übersetzer Richard Sonnenfeldt über die Nürnberger Prozesse

»Ribbentrop war ein Idiot«

Richard Sonnenfeldt wurde 1923 im sachsen-anhaltinischen Gardelegen geboren. Mit 15 Jahren flüchtete er aus Deutschland. Nach einer langen Odyssee landete er schließlich 1941 in den USA. Als amerikanischer Soldat kam Sonnenfeldt zurück nach Europa, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Nach dem Krieg arbeitete er als Chefdolmetscher bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und verhörte die angeklagten Nazis. Die Ergebnisse seiner Befragungen wurden als Beweise in den Kriegsverbrecherprozessen benutzt.

2002/17 Die türkische Publizistin Yelda über den Völkermord an den Armeniern

»Die Verbrechen werden verleugnet«

In dieser Woche jährt sich zum 87. Mal der Völkermord an den Armeniern, dem von 1915 bis 1923 unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Während vielerorts, auch in Berlin, daran erinnert wird, leugnet die Türkei bis heute den Massenmord.

Eine der wenigen türkischen Stimmen, die dieses Tabu anfechten, ist die feministische Publizistin Yelda. Als sich die Drohungen gegen sie häuften, bat sie am Ende des vorigen Jahres um politisches Asyl in Deutschland. Yelda verzichtet auf ihren Nachnamen, weil er ihr als patriarchal gilt.

2002/16 Die Journalistin Esther Schapira zur Rolle der Medien im Nahen Osten

»Die Bilder werden bewusst lanciert«

Wer erschoss Mohammed al-Dura? Nicht nur den Palästinensern, die ihn als »Märtyrer« verehren, ist die Antwort klar. Die Aufnahmen des Jungen, der zu Beginn der Al-Aksa-Intifada in Ramallah vor laufenden Kameras erschossen wurde, gingen um die Welt und scheinen die Rufe »Kindermörder Israel« zu legitimieren, die auf propalästinensischen Demonstrationen in der ganzen Welt erschallen.

Zu einem anderen Befund gelangt die Dokumentation »Drei Kugeln und ein totes Kind« von Esther Schapira, die die ARD kürzlich ausstrahlte. Ihre Recherchen haben für die Journalistin zur Folge, dass sie massive Drohungen aus islamistischen Kreisen erhält. Esther Schapira ist Leiterin des Ressorts Zeitgeschichte beim Hessischen Rundfunk.

2002/15 Interview mit Bernard Sadovnik, einem Vertreter der Kärtner Slowenen

»Alle sollen Englisch lernen«

Der Streit um die Aufstellung deutsch-slowenischer Ortstafeln im österreichischen Bundesland Kärnten ist nicht neu. Erst Anfang Januar beschloss der Österreichische Verfassungsgerichtshof, künftig in Gemeinden mit zehn Prozent slowenischer Bevölkerung zweisprachige Ortsschilder aufstellen zu lassen. Die Kärtner Landesregierung von Jörg Haider weigert sich jedoch, die Tafeln anzubringen.

2002/14 Interview mit Harry Rowohlt

»Ich will es besser machen«

Harry Rowohlt ist nicht nur der bekannteste Vorleser Deutschlands, er ist auch der Übersetzer von »Pu der Bär« und 108 weiteren Büchern. Seine pöbeligen Auftritte als alkoholisierter Penner in der »Lindenstraße« sind legendär. Rowohlt, der über Jahre die Kolumne »Pooh's Corner« für die Zeit schrieb und damit einen wichtigen Grund lieferte, sich das Blatt regelmäßig zu kaufen, ist mal wieder auf den Bühnen dieses Landes unterwegs und präsentiert bis zu vierstündige Marathonlesungen.