Hinter dem Schrei nach Freiheit
Im Herbst 2023 ein Buch über die Covid-19-Pandemie zu veröffentlichen, erscheint zunächst unzeitgemäß. Maskenpflicht, Abstandsgebot, Kontaktverfolgung oder gar die Schließung von Schulen, Gaststätten oder Geschäften gehören der Vergangenheit an. Längst haben Medien, Politiker und Öffentlichkeit das Ende der Pandemie verkündet – und wer es wagt, durch das Tragen einer Maske im Bus daran zu erinnern, dass noch immer ein potentiell tödliches Virus kursiert, ist nicht selten Anfeindungen bis hin zu Übergriffen ausgesetzt.
Das Buch, das Sebastian Schuller über den Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Verschwörungsdenken vor allem in Bezug auf Covid-19 geschrieben hat, ist jedoch nicht nur aufgrund des Veröffentlichungstermins unzeitgemäß. In »Die Freiheit, die sie meinen« kritisiert der Literaturwissenschaftler eine Gesellschaft, »die es nicht für nötig erachtet, ihre schwächsten Mitglieder zu schützen, sondern deren Tod und Leiden als Preis der Freiheit« umdeklariere.
Das Ende der Pandemie zu feiern, »obwohl das Sterben auf den Intensivstationen weiterging und weitergeht«, weigert sich Schuller, vor allem jedoch distanziert er sich von gängigen deutschen Verklärungen der Pandemiepolitik, so zum Beispiel wenn er deutlich macht, dass die staatlichen Maßnahmen nicht primär dem Schutz von Menschenleben, sondern der Aufrechterhaltung der Kapitalakkumulation dienten. Insbesondere aber, wenn er sich dem Ausgangspunkt seines Buchs, den mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Verschwörungsmythen widmet.
Entgegen einer gängigen Betrachtungsweise versteht Schuller das Verschwörungsdenken nicht als Ausdruck einer individuellen Verwirrung, die mit dem Rest der Gesellschaft wenig zu tun hat.
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