Interview

1998/20 Arie Jaffè

»Mit Leidenschaft lebe ich im Kibbuz«

Der Lebensweg von Arie Jaffè ist typisch für die Kibbuz-Gründergeneration: Der gebürtige Berliner mußte 1933 aus Deutschland emigrieren, schloß sich in Wilna der linkszionistischen Partei Haschomer Hatzair an, flüchtete nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion zur Roten Armee und kämpfte mit ihr gegen die Deutschen. 1950 kam er nach Israel und wurde im Kibbuz Yakum zum Experten für Zitrusfrüchte. Jaffè stand jahrelang an der Spitze der linkssozialistischen Mapam-Partei, unter anderem hat er als ihr ständiger Repräsentant in der Sozialistischen Internationale mit Olof Palme, Fran ç ois Mitterrand und Willy Brandt zusammengearbeitet. Jaffè hat die programmatische Arbeit der Mapam-Partei zwei Jahrzehnte geprägt - bis zu ihrer Auflösung im Bürgerrechtsbündnis "Meretz" Anfang der neunziger Jahre. Auch heute noch ist er an der Diskussion des Kibbuzim-Dachverbandes Artzi federführend beteiligt.

1998/19 Vesna Pesic

»Keine Seite darf die andere unterdrücken«

Vesna Pesic ist Vorsitzende der Bürgerallianz Serbiens. Gemeinsam mit Zoran Djindjic und Vuk Draskovic gründete sie 1996 das national-bürgerliche Oppositionsbündnis Zajedno, das jedoch im Frühjahr 1997 wegen interner Streitigkeiten zerbrach. Mit dem Ende des Bündnisses verlor auch ihre Partei an Bedeutung.

Le Monde diplomatique attestiert ihr heute lediglich ein "symbolisches Gewicht". Innenpolitisch hat die studierte Philosophin seitdem versucht, durch Aufrufe zum Wahlboykott die Position des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zu schwächen. Auch im Konflikt um den Kosovo forderte sie die serbischen Wähler auf, am Referendum über eine internationale Vermittlung nicht teilzunehmen. Auf Einladung der Europäischen Akademie besuchte sie Ende April Berlin.

1998/18 Henryk M. Broder

»Ich konzentriere mich auf Anomalien«

"Jungle World - das ist doch das Blatt, bei dem die SED nicht mitspielen durfte." Henryk Broder war wieder einmal ziemlich nah dran. Der 1946 in Katowice geborene Journalist ist in der Vergangenheit selten einem Streit aus dem Wege gegangen. Seine besondere Zuneigung galt dabei immer der Linken. Als sich konkret im Golfkrieg 1991 im Unterschied zur linken Mehrheitsmeinung für Israel einsetzte, lobte er die Zeitschrift öffentlich. In seinem Buch "Der ewige Antisemit" rechnete er 1986 mit dem Spiegel-Herausgeber ab: "Nur einen vergleichsweise geringen Unterschied zwischen einem Propagandisten der 'Auschwitz'-Lüge und einem seriösen Publizisten wie Rudolf Augstein" könne er erkennen. Seither haben sich das Blatt und sein Chef in puncto Antisemitismus nicht gebessert - Broder aber schweigt. Auf unsere Frage, warum dies so sei, wollte er sich nicht öffentlich äußern. Broder ist seit einigen Jahren regelmäßiger Spiegel-Autor.

1998/17 Matthias Gärtner

»Ein Erfolg der DVU wäre ein verheerendes Signal«

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt droht nach jüngsten Umfragen ein Wahlerfolg der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU). Matthias Gärtner, mit 25 Jahren der jüngste Landtagsabgeordnete der PDS in Magdeburg, hat das rechte Potential in jahrelanger antifaschistischer Arbeit ausgekundschaftet. Obwohl sein politisches Vorbild Mahatma Ghandi und sein innerparteilicher Duzfreund Lothar Bisky ist, hat er sich durch sein Engagement auch bei Revoluzzern und Punks Anerkennung erworben. Aus diesem Grund ist er Public Enemy für volksdeutsche Patrioten: In der Magdeburger Glatzen-Hochburg Neu-Olvenstedt kann er sich nach mehreren Morddrohungen nicht mehr blicken lassen, im Landtag sprüht die CDU Gift und Galle gegen ihn.

1998/16 Maria Mies

»Regionalisierung statt Globalisierung!«

Die Welt als globale Freihandelzone - das könnte bald Wirklichkeit werden, sollte das Multilaterale Abkommen für Investitionen (MAI) in Kraft treten. Seit drei Jahren verhandeln die 29 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris über das Abkommen. Das MAI sieht weitreichende Regelungen zum Schutz von Kapitalanlage im Ausland vor und räumt ausländischen Unternehmen gleiche Rechte wie einheimischen Betrieben ein. Multinationale Konzerne könnten vor Gerichte klagen, wenn sie sich durch die nationale Gesetzgebung benachteiligt sehen. Die Kritiker befürchten, der völlige Verlust nationaler Souveränität beseitige auch jede Möglichkeit, soziale und ökologische Auflagen durchzusetzen. Doch für ihre Argumentation haben sie unliebsame Sympathie erhalten - mittlerweile haben auch Nationalisten das Thema für sich entdeckt.

Am 25. April findet in Bonn eine bundesweite Konferenz gegen das Abkommen statt. Eine der Initiatorinnen der Anti-MAI-Kamapagne ist Maria Mies, emeritierte Professorin für Soziologie an der Fachhochschule Köln. Sie bezeichnet sich selber als Ökofeministin und wurde bekannt durch ihre Arbeiten über Subsistenzproduktion in den Ländern der sogenannten Dritten Welt.

1998/15 Bascha Mika

»Alice Schwarzer tickt mal so, mal so «

Bascha Mika arbeitete als freie Journalistin, seit 1988 als Redakteurin und Reporterin bei der taz. 1994 erhielt sie den Emma-Journalistinnenpreis. "Die
Autorin erzählt neugierig, verwundert und mit Witz", begründete die Jury ihre Entscheidung. Jetzt hat Bascha Mika eine kritische Biographie der Emma-Chefin geschrieben. Alice Schwarzer, die sich geweigert hatte, mit der Autorin zu sprechen, betont, es handele sich um eine nicht-autorisierte Biographie. 1996 hatte sich Bascha Mika bei ihr bereits unbeliebt gemacht, als in der taz der Artikel "Retten Sie sich vor Alice!" erschien. Bascha Mika soll zukünftig in der Chefredaktion der taz arbeiten.

1998/14 Heiko Kretschmer

»Sind die Grünen die neuen Jusos?«

Auf dem Bundeskongreß der Jungsozialisten in der SPD, der am Wochenende in Essen stattfand, herrschten gemischte Gefühle: Einerseits hat die Mutterpartei SPD in Umfragen schon seit langem nicht mehr so gut abgeschnitten wie sechs Monate vor der Bundestagswahl. Andererseits hat die Parteispitze unter Federführung des Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder ein Programm vorgelegt, das mit sozialistischen Vorstellungen, wie sei die meisten Jusos noch immer für sich reklamieren, endgültig nichts mehr zu tun hat. Der Konflikt der Jusos mit Schröder zeigte sich auch daran, daß der Kanzlerkandidat dem Kongreß der Jugendorganisation keinen Besuch abstattete. Heiko Kretschmer (30) ist Mitglied des Juso-Bundesvorstandes und zählt zu den Repräsentanten der "Juso-Linken", die zur Zeit die Verbandsmehrheit stellen.

1998/13 Elmar Schmähling

»Ach, Sie waren gar kein richtiger Kapitän?«

Elmar Schmähling soll bei der Bundestagswahl im Berliner Bezirk Mitte/Prenzlauer Berg für die PDS ein Direktmandat erlangen und der Partei damit den Wiedereinzug ins Parlament sichern. Der 61jährige Schmähling war Flottillenadmiral der Bundeswehr und von 1980 bis 1984 Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Nach dem Regierungswechsel in Bonn mußte Schmähling die Kommandobrücke verlassen. Er übernahm das Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr. 1990 wurde er ohne Nennung von Gründen durch den damaligen Verteidigungsminister Stoltenberg in den Ruhestand versetzt. Grund dürfte Schmählings Engagement in der Friedensbewegung gewesen sein. Er gründete mit anderen Soldaten die Initiative Darmstädter Signal gegen die Nato-Aufrüstung und fordert seit Jahren nicht nur einen Rüstungsstopp, sondern den schrittweisen Abbau der gesamten Bundeswehr.

1998/12 Doris Pack

»Notfalls militärische Intervention im Kosovo«

"Nur in einer Nuance" unterscheide sich seine Position von der seiner

US-amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright, sagte Bundesaußenminister Klaus Kinkel nach dem Treffen der internationalen Kontaktgruppe zur Kosovo-Krise in der vergangenen Woche. Kinkel selbst hüllte sich über die Differenz in Schweigen. Die CDU-Politikerin Doris Pack wird deutlicher. Frau Pack ist seit acht Jahren Abgeordnete des Europäischen Parlaments und dort Vorsitzende der Südosteuropa-Delegation.

1998/11 Joachim Herrmann

»Kohl sollte sich um Deutschland kümmern«

Der Erlanger CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Herrmann, Jurist, Jahrgang 1956, römisch-katholisch, verheiratet, 3 Kinder, Hauptmann d.R., 1979/80 Landesvorsitzender des RCDS in Bayern, 1987 bis 1991 stellvertretender Bundesvorsitzender der JU, 1992 bis 1997 Syndikus der Siemens AG, Mitglied des Aufsichtsrates der Erlanger Stadt werke AG, ist stellvertretender Generalsekretär der CSU. Er wurde auf dem Fürther Parteitag im April 1997 Generalsekretär Bernd Protzner zur Seite gestellt. Herrmann ist verantwortlich für den Landtagswahlkampf seiner Partei in diesem Jahr.