Interview

2014/11 Alexandra Pavlou im Gespräch über den Zusammenbruch des griechischen Gesundheitssystems und solidarische Kliniken

»Es ist eine politische Tat«

In Griechenland ist unter dem Druck der verordneten Austeritätsmaßnahmen das Gesundheitssystem zusammengebrochen. Wer nicht krankenversichert ist, muss die Kosten einer Behandlung vor Ort in bar bezahlen oder sie werden am Ende des Jahres über die Steuer eingezogen. Vor kurzem wurden erneut Kliniken geschlossen und weitere 8 500 Beschäftigte entlassen. Um dennoch eine Behandlung von Armen, Migranten und Nichtversicherten gewährleisten zu können, sind in ganz Griechenland solidarische Kliniken eingerichtet worden. Die Jungle World sprach mit Alexandra Pavlou (49). Als Kind lebte sie in München, in Griechenland arbeitete sie als Übersetzerin, bevor sie vor zwei Jahren arbeitslos wurde. Sie ist in der solidarischen Klinik K.I.F.A. in Athen aktiv.

2014/10 Katharina Schulze im Gespräch über ihre Kritik am Trümmerfrauen-Denkmal in München

»Uns wurde mit Erschießen gedroht«

Die Kritik an deutschen Geschichtsmythen provoziert in Deutschland oftmals noch immer einen rechten Shitstorm. Wie derzeit Anne Helm, Politikerin der Piratenpartei, wegen ihrer Bomber-Harris-Aktion standen vor einigen Wochen die beiden bayerischen Landtagsabgeordneten der Grünen, Sepp Duerr und Katharina Schulze, im Mittelpunkt rechter Angriffe. Sie hatten ein braunes Tuch mit der Aufschrift »Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Altnazis! Gegen Spaenles Geschichtsklitterung« (Ludwig Spaenle ist der bayerische Kultusminister, Anm. d. Red.) über das sogenannte Denkmal für die Trümmerfrauen in München gelegt. Die Jungle World sprach mit Katharina Schulze über bayerische Geschichtspolitik und die Folgen ihrer Kritik daran.

2014/09 Anaís Córdova P. und Marcelo Echeverría M. im Gespräch über die Abtreibungsdebatte in Ecuador

»Abtreibung ist die Entscheidung jeder einzelnen Frau«

Nach dem neuen Strafgesetzbuch in Ecuador droht einer Frau, die eine Abtreibung vornehmen lässt, selbst dann eine Gefängnisstrafe, wenn sie nach einer Vergewaltigung schwanger geworden ist. Gegen diese Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gründeten Aktivistinnen und Aktivisten eine Kampagne mit dem Namen YoSoy65. Die Jungle World sprach mit Anaís Córdova P. und Marcelo Echeverría M., Sprecherin und Sprecher der Kampagne über die Abtreibungsdebatte und Frauenrechte in Ecuador.

2014/08 Dominik Hangartner im Gespräch über das Referendum und den Rechtspopulismus in der Schweiz

»Kulturelle Bedenken kamen zum Tragen«

In der Schweiz wurde das von der rechts­populistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) geforderte Volksbegehren »Gegen Masseneinwanderung« (Jungle World 6/2014) mit einer sehr knappen Mehrheit von 50,3 Prozent der Stimmen angenommen. Die Initiative, die eine Einführung von Zuwanderungsquoten vorsieht, hat im Ausland zu heftigen Reaktionen geführt. Die Jungle World sprach zum Thema mit dem Politologen Dominik Hangartner, Associate Professor an der Londoner School of Economics und Senior Research Associate an der Universität Zürich. Er hat in einer vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Studie die restriktive Einbürgerungspraxis der Schweizer Gemeindeversammlungen untersucht.

2014/07 Elmar Wigand im Gespräch über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen

»Es geht hier nicht um EU versus USA«

Gegen das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), über das seit 2013 zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt wird, richten sich verschiedene Kampagnen sozialer Bewegungen (Jungle World 4/2014). Das TTIP könnte auch Arbeitnehmerrechte einschränken, darauf wies unlängst die Ini­tiative »Aktion ./. Arbeitsunrecht« hin, die auf ihrer Website einen Aufruf gegen das TTIP veröffentlicht hat. Die Jungle World sprach mit dem Kölner Journalisten und Online-Redakteur Elmar Wigand, neben Werner Rügemer Initiator des Aufrufs und Betreiber der Website, über die negativen Folgen des TTIP für Lohnabhängige und Gewerkschaften.

2014/06 Antje Kruska und Judith Keil stellen im Gespräch ihren Dokumentarfilm »Land in Sicht« über Asylsuchende in Brandenburg vor

»Jeder hat auf eine bestimmte Art Asyl verdient«

Die Filmemacherinnen Antje Kruska und Judith Keil (»Der Glanz von Berlin«, »Dancing with Myself«) porträtieren in ihrem neuesten Kinofilm »Land in Sicht« Asylsuchende im brandenburgischen Bad Belzig. Die beiden verzichten auf einen Kommentar und eindeutige Botschaften, sie nähern sich dem Thema stattdessen über die Geschichten der porträtierten Menschen. Ihre Protagonisten sind drei Asylsuchende und eine Sozialarbeiterin.

2014/05 Paco Ignacio Taibo II im Gespräch über Drogenkartelle, Bürgerwehren und die Linke in Mexiko

»Wir haben die Tür zur Hölle geöffnet«

Der 65jährige Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II hat den Kriminalroman in Mexiko heimisch gemacht und Abenteuerromane verfasst, ist aber auch ein renommierter Historiker. Außerdem ist er ein vehementer Kritiker der politischen Verhältnisse in Mexiko und unterstützt immer wieder linke Bewegungen. In Deutschland ist er derzeit auf Lesereise, da er zu den »Literaturtagen Mittelamerika« in Frankfurt am Main eingeladen wurde.

2014/04 Kanza Kassimi im Gespräch über ein Foto, das drei marokkanische Minderjährige hinter Gitter brachte

»Sie haben das Recht eingefordert, sie selbst zu sein«

Eine 14jährige küsste ihren Liebsten (15) vergangenen Oktober vor dem Gebäude ihrer Schule im nordmarokkanischen Nador, ein Freund fotografierte sie dabei. Sie stellte das Foto auf ihr Facebook-Profil. Als das Foto im Netz verbreitet und in einer lokalen Tageszeitung als ein Beispiel unanständigen Verhaltens angeprangert wurde, initiierten selbsternannte Sittenwächter eine öffentliche Kampagne und erwirkten eine Strafanzeige gegen die drei Minderjährigen. Deren anschließende Verhaftung wurde wiederum von weiten Teilen der marokkanischen Jugend mit Protesten beantwortet. Zahlreiche Pärchen posteten solidarische Selfies beim Knutschen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Kiss-in vor dem Parlament in Rabat wurden teils gewalttätig angegriffen. Das Hacker-Kollektiv »Anonymous« griff unter dem Motto »We give kisses – arrest us« die Netzwerke einiger marokkanischer Ministerien an und drohte, diese Angriffe auszuweiten, sollten die drei nicht freigelassen werden. Am 6. Dezember wurden die Jugendlichen schließlich freigesprochen. Der Fall weist auf die unterschiedlichen Moralvorstellungen in der marokkanischen Gesellschaft hin. Die Jungle World sprach darüber mit der marokkanischen Soziologin Kanza Kas­simi. Sie ist Professorin an der Unversität Agadir und hat mit ihren Studierenden eine Umfrage zu dem Fall durchgeführt.

2014/03 Costas Douzinas im Gespräch über die Krise und linke Perspektiven in Griechenland

»Die Linke wird improvisieren müssen«

Die Krise in Griechenland ist noch nicht überstanden, doch manche bleiben optimistisch hinsichtlich der Chancen für eine europäische Linke. So der griechische Philosoph und Rechtswissenschaftler Costas Douzinas. Er ist Autor des einflussreichen Buchs »Philosophy and Resistance in the Crisis«, Professor für Recht an der Birkbeck University of London und Direktor des Birkbeck Institute for the Humanities. Mit ihm sprach die Jungle World über Krise, Widerstand und linke Perspektiven.

2014/02 Denis Lewin im Gespräch über die Protestbewegung in der Ukraine

»Die Linke ist nicht vertreten«

Seit November flauen die regierungskritischen Proteste in der Ukraine nicht ab. Das Zentrum der Protestbewegung ist der Maidan-Platz, der »Unabhängigkeitsplatz« in der Hauptstadt Kiew. Die Jungle World sprach mit Denis Lewin über die Allgegenwart rechter Parolen, den Einfluss der rechtsextremen Partei Swoboda (»Freiheit«) und die Schwierigkeit, linken Positionen bei den Protesten Gehör zu verschaffen. Lewin ist Vertreter der freien ukrainischen Eisenbahngewerkschaft und Mitglied der linken Vereinigung Borot’ba.