Interview

2002/45

»Die Grenzen werden nicht geändert«

So hatten es sich die Gesandten der EU, der UN und der Nato nicht vorgestellt. Zehn Jahre nach dem Beginn des Krieges sitzen in Bosnien erneut Vertreter der drei großen nationalistischen Parteien im Staatspräsidium; die ersten von den bosnischen Behörden selbst organisierten Wahlen brachten einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten. Mit den Nationalisten müssen die internationalen Organisationen dennoch zusammenarbeiten. Allen voran die Behörde des Hohen Repräsentanten der so genannten internationalen Gemeinschaft, der mächtigsten zivilen Institution im Lande. Das Amt wird seit dem Mai dieses Jahres vom früheren Vorsitzenden der britischen Liberalen, Paddy Ashdown, geleitet.

2002/44

»Der Atomausstieg ist noch keiner«

Ab 11. November soll wieder ein Castortransport ins Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben stattfinden. Die Anti-Atomkraft-Bewegung plant bereits Proteste und Blockaden. Auch die Kampagne X-tausendmal quer will wieder gewaltfreie Sitzblockaden entlang der Transportstrecke durchführen. Sören Janssen ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Pressesprecher von X-tausendmal quer.

2002/43

»Wir wollen die Revolte«

Die Irakische Kommunistische Partei (ICP) wurde als erste KP der arabischen Welt Ende der fünfziger Jahre zur einflussreichen Massenpartei. Gedrängt von der UdSSR, trat sie 1973 in eine von der Baath-Partei geführte Regierung der »nationalen Front« ein. Die Partei betrachtete damals den Kurs der autoritären Modernisierungen als einen fortschrittlichen Weg der nichtkapitalistischen Entwicklung. Doch Ende der siebziger Jahre begann eine Repressionswelle gegen die ICP. Die stark geschwächte Partei ging in die Opposition.

Raid Fahmi ist Mitglied im Zentralkomitee der ICP und lebt seit 1983 als politischer Flüchtling in Frankreich.

2002/42

»Punk mit Punk provozieren«

Jubiläen, die gefeiert werden wollen, müssen rund sein. Nicht bei den Goldenen Zitronen. Die Band aus Hamburg gibt es seit 18 Jahren, sie ist somit volljährig und nimmt das zum Anlass, eine erste Rückschau zu halten. »Aussage gegen Aussage« heißt die Doppel-CD, die bei anderen Bands schlicht »Best Of« heißen würde.

Schorsch Kamerun ist Sänger der Goldenen Zitronen und neben Ted Gaier das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Band. Er spielt gelegentlich auch in anderen Bands, hat eine Soloplatte als Sylvesterboy herausgebracht und inszeniert seit einiger Zeit auch Theaterstücke.

2002/41

»Blix ist nicht Powells Angestellter«

Unter großer Aufmerksamkeit der Medien fanden am Montag und Dienstag vergangener Woche Gespräche zwischen der UN-Waffenkontrollkommission (Unmovic), der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und einer irakischen Regierungsdelegation statt. Bei dem Treffen in Wien wurde eine Wiederaufnahme der UN-Waffeninspektionen im Irak vereinbart. Mark Gwozdecky ist Informationsdirektor der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde und Mitglied des UN-Verhandlungsteams.

2002/40

»Ich fürchte den Provinzialismus«

Die Bundestagswahl war ein Desaster für die PDS. Erhielt die Partei 1998 noch 5,1 Prozent der Stimmen und gewann drei Direktmandate, so kam sie in diesem Jahr nur auf vier Prozent. Es gelang ihr auch nicht, drei Direktmandate zu gewinnen, die einen Einzug in den Bundestag doch noch ermöglicht hätten. Nur Petra Pau und Gesine Lötzsch konnten zwei Mandate in Berlin erringen. Lothar Bisky war bis zum Herbst des Jahres 2000 Parteivorsitzender, derzeit ist er der Fraktionsvorsitzende der PDS im Brandenburger Landtag.

2002/39

»Ich rede von der Revolution«

Die mutmaßlichen Mitglieder der griechischen Stadtguerillagruppe 17. November sind verhaftet. Die Gelegenheit ist günstig für den griechischen Staat, gegen die radikale Linke vorzugehen.

Der 65jährige Giannis Serifis ist ein in Griechenland bekannter Syndikalist, der schon gegen die Militärjunta gekämpft hat. Seit den siebziger Jahren gehört er zu den »üblichen Verdächtigen«, wie die Anarchisten genannt werden, die nach jedem Anschlag einer Stadtguerillagruppe präsentiert werden. Jetzt behaupten einige, Serifis sei ein Gründungsmitglied der Organisation. Mit ihm sprachen Giorgos Gioukakis und Babis Agrolabos.

2002/38 Jacob Finci, Präsident der jüdischen Gemeinde Bosniens

»Bosniens Muslime sind Europäer«

In der Absicht, ihren Kampf für einen islamischen Gottesstaat auch in Europa fortzuführen, kamen afghanische und iranische Kämpfer schon in den neunziger Jahren nach Bosnien-Herzegowina. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden in dem traditionell weltlichen Land mehrere mutmaßliche Mujahedin festgenommen, die Sfor-Truppen verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen.

Weitgehend verschont von den verbalen Attacken militanter Muslime blieb die kleine jüdische Gemeinde Bosniens. Mit ihrem Präsidenten, Jacob Finci, der auch an der Einrichtung einer Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild arbeitet.

2002/37

»Ich gelte als gefährliche Person«

Die spanische Justiz wirft Juan Ramon Rodríguez Fernández, dem Antifa-Aktivisten und Sänger der linksradikalen Hardcoreband Kop, die Unterstützung der baskischen Terrororganisation Eta vor. Vor fast einem Jahr tauchte er in Barcelona unter, Anfang Januar wurde er in Amsterdam festgenommen (Jungle World, 07/02). Da es in den Niederlanden das Delikt der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nicht gibt, kann er nicht nach Spanien ausgeliefert werden.

Die spanische Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn inzwischen sogar der Mitgliedschaft in der Eta, konnte bisher aber keine Beweise vorbringen. Am 26. Juni wurde er gegen eine Kaution freigelassen. Am kommenden Dienstag wird das Gericht über seine Auslieferung nach Spanien entscheiden.

2002/36 Der jugoslawische Rechtsanwalt Milo Vokovi zu Restitutionsforderungen

»Alte Eliten fordern Entschädigung«

Mit Unterstützung aus München, Wien und Budapest fordern deutsche Vertriebenenverbände von Tschechien, die Benes-Dekrete aufzuheben. Auch in Serbien gibt es mittlerweile eine ähnliche Diskussion um die Avnoj-Dekrete, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg die Enteignung deutscher Minderheiten legitimiert wurde. Während die Forderungen das Verhältnis Deutschlands und Österreichs zu Tschechien erheblich belasten, hört man von Ansprüchen an Serbien bisher wenig.

Boris Kanzleiter sprach mit Milo Vokovi, einem Rechtsanwalt in Belgrad, der sich auf Restitutionsfragen, das heißt auf die Rückgabe verstaatlichter Immobilien an die ehemaligen Eigentümer, spezialisiert hat.