Interview

2000/31 Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen in Österreich

»Schüssel hat interveniert«

Die Reisen der Weisen: Am vergangenen Wochenende statteten die drei Weisen der EU, Martti Athisaari, Marcelino Oreja und Jochen Frowein Österreich einen ersten Besuch ab. Sie ergründen, wie die politische Situation in Österreich sechs Monate nach dem Regierungswechsel und die Politik der FPÖ aussehen. Von ihrem Bericht hängt im Wesentlichen ab, ob die EU-14 die bilateralen Maßnahmen gegen die Wiener Regierung aufheben oder nicht.

Bei ihrem Besuch in Wien trafen sie auch mit der parlamentarischen Opposition zusammen. Ulrike Lunacek ist Nationalratsabgeordnete und außenpolitische Sprecherin der Grünen im österreichischen Parlament

2000/30 Klaus Bednarz, Journalist

»Die Katholische Kirche will sich entziehen«

Das Gesetz über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ist beschlossen, der Schlussstrich ist gezogen - allein, es fehlt das Geld. Obwohl ohnehin nur ein Bruchteil des Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft von Unternehmen aufgebracht werden muss, sind bislang von den versprochenen fünf Milliarden Mark gerade mal drei Milliarden eingezahlt. Freilich gäbe es da noch eine Finanzquelle, die bislang unerschlossen geblieben ist: die Katholische Kirche. Das WDR-Magazin »Monitor« hat in der vergangenen Woche erstmals Beweise für Zwangsarbeit in Klöstern und anderen klerikalen Einrichtungen vorgelegt. Die Katholische Kirche reagierte, wie zu erwarten war: »So was gab's bei uns nicht»; »wir werden das prüfen»; »wir werden uns natürlich der Verantwortung stellen»; »wir werden nicht zahlen.«

Klaus Bednarz, ist Leiter der »Monitor»-Redaktion

2000/29 Alfredo Molano, kolumbianischer Schriftsteller

»Verhandeln, nicht erzwingen«

Auf die USA folgen die Europäer: Nach einer Ende Juni vom US-Kongress beschlossenen milliardenschweren Militär- und Finanzhilfe für den von der kolumbianischen Regierung entwickelten »Plan Kolumbien« hat sich in der ersten Juli-Woche auch die EU dem lateinamerikanischen Staat zugewandt. Insgesamt 26 Länder verständigten sich in Madrid zusammen mit der Weltbank, der Uno und dem IWF über finanzielle Aspekte und unterschiedliche politische Erwartungen des »Plan Kolumbien«. In der spanischen Hauptstadt fand aber am 5. Juli auch ein von verschiedenen kolumbianischen und europäischen Organisationen veranstaltetes Alternativforum statt.

An diesem Forum nahm Alfredo Molano teil. Er ist kolumbianischer Schriftsteller und Journalist und lebt im Exil in Barcelona.

2000/28 George Aditjondro, Soziologe

»Die Molukken sind das Schlachtfeld der Eliten »

Im Mai 1998 wurde Diktator Suharto gestürzt, sein Nachfolger als Präsident wurde Bacharuddin J. Habibie. Nach Wahlen ist im vergangenen Herbst eine Kompromissregierung aus den Kräften der alten Ordnung und Reformkräften gebildet worden: Abdurrahman Wahid wurde Präsident für die Muslime, Megawati Sukarnoputri wurde zur Beschwichtigung der Reform-Anhänger Vizepräsidentin, verschiedene Militärs und Anhänger von Suhartos Golkar-Partei erhielten Ministerposten.

Gegen Suharto wird wegen Korruption ermittelt, vergangene Woche explodierte eine Bombe im Büro der Generalstaatsanwaltschaft. Gegen Generäle sind unter anderem wegen der Massaker auf Ost-Timor Ermittlungen eingeleitet worden.

Der Soziologe und Anthropologe George Aditjondro, musste 1995 wegen seines Engagements für Ost-Timor Indonesien verlassen.

2000/27 Michael Gabriel, EM-Fanbetreuer

»Hass spielt keine Rolle«

Am Ende haben die Deutschen bei der Fußball-Europameisterschaft doch noch gewonnen: Während Uefa-Präsident Lennart Johansson die Mitgliedsverbände dazu aufforderte, sich »stärker mit dem Hooligan-Problem« zu befassen, hat der Deutsche Fußballbund im Rennen um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2006 einen Teilerfolg erzielt. Der restriktive Polizei-Einsatz hat sich ausgezahlt: Nicht zuletzt wegen der strengeren Sicherheitsvorkehrungen der Deutschen stufte der Weltfußballverband Fifa Deutschland letzte Woche höher ein als den Mitbewerber England.

Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fan-Projekte in Frankfurt/M. nahm als Fan-Betreuer an der EM teil.

2000/26 José Bové, Aktivist der linken

»Ein Prozess gegen die Globalisierung«

Seine Gestalt erinnert ein wenig an Asterix, und ähnlich wie die berühmte Comicfigur ist er zu einer Symbolfigur des Widerstands gegen mächtige Imperien geworden. José Bové, Aktivist der linken französischen Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne, wurde im August letzten Jahres international bekannt, als er nach der Demontage einer McDonald's-Filiale im südfranzösischen Millau verhaftet wurde. Am kommenden Freitag wird ihm und neun seiner Genossen von der Confédération der Prozess gemacht. Die Angeklagten haben sich auf diesen Tag lange vorbereitet: Sie wollen das Gerichtsverfahren in ein Tribunal gegen den globalisierten Kapitalismus verwandeln.

2000/25 Dragoljub Stojanov

»Bosnien braucht ein richtiges Protektorat«

Ein Jahr nach dem Einzug von Nato, Uno und OSZE in das Kosovo ist weiterhin unklar, wie lange die internationalen Organisationen in der Provinz verbleiben werden. Nach den Erfahrungen in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina gehen selbst Optimisten von mindestens zehn Jahren aus. Denn dort besteht die mit dem Dayton-Vertrag eingeführte internationale Verwaltung bereits seit 1995 - ohne dass ein Ende der Fremdherrschaft in Sicht wäre.

Den ökonomischen Transformationsprozess in Bosnien seit Ende des Krieges kennt Dragoljub Stojanov aus eigener Erfahrung. Er war von 1993 an Minister in zwei bosnischen Regierungen. Heute leitet er den Lehrstuhl für Internationale Wirtschafts- und Finanzbeziehungen an der Universität Sarajevo.

2000/24 James Louis Cavallaro

»Reichtum bedingt Gewalt«

Die 500-Jahr-Feier sollte eine brasilianische Erfolgsgeschichte präsentieren. Doch stattdessen berichteten die Medien vergangenen Monat vor allem über die Proteste der Landlosenbewegung Movimento Sem Terra (MST). Seitdem ist die Bewegung bevorzugtes Ziel staatlicher Repression. Aber auch im Alltag gehört Folter und Mord zur gängigen Praxis von Brasiliens Polizeibehörden.

Bei seiner Wiederwahl vor zwei Jahren erklärte Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso, er werde sich verstärkt dem Schutz der Menschenrechte widmen. Einen Anspruch, den er erst vergangene Woche auf dem Reformgipfel von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin bestätigte. James Louis Cavallaro, ist langjähriger Leiter von Human Rights Watch Brasilien, ein Juriste und Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Justiça Global in Rio de Janeiro.

2000/23 Jürgen W. Möllemann

»Es gibt keine politischen Lager mehr«

Einer wie Haider, nein, das wollte er nie sein. Einzig, wenn es um die Methoden des Wahlkampfes und die Öffentlichkeitsarbeit geht, akzeptiert Jürgen W. Möllemann den Vergleich mit dem österreichischen FPÖ-Chef. Nun, nachdem ihn die Düsseldorfer Sozialdemokraten vorläufig nicht als Koalitionspartner wollen, setzt der Politprofi auf den Volkswillen: Von der Nischenpartei zu einer Freidemokratischen Volkspartei will Möllemann seine FDP pushen.

2000/22 Christoph Schlingensief

»Tötet Europa!«

Obdachlose, Arbeitslose, Plan- und Heimatlose, Regine Hildebrandt, Rudi Dutschke, die Zirkusfamilie Sperling und Helmut Kohl: Der Theatermacher Christoph Schlingensief hat sich schon um viele Leute gekümmert. Jetzt sind dran: Haider/Wien/Österreich/Europa/Alle.