Interview

1997/51 Klaus Farin

Nur ein Drittel der Skins ist rechtsradikal

Klaus Farin, Jahrgang 1958, gilt als der beste Kenner der Skinhead-Szene. Nachdem er bereits in den vergangenen Jahren mehrere Bücher zum Thema publiziert hat, legte er jetzt ein umfangreiches Standardwerk vor: "Die Skins - Mythos und Realität" (Ch. Links Verlag, DM 39,90). Dazu hat er unter anderem eine Umfrage in der Szene durchgeführt, an der sich 400 Glatzen beteiligt haben. Die Ergebnisse sind überraschend.

1997/50 Andrea Nahles

»Wir haben uns aus dem Fenster gehängt«

Zwischen allen Fronten standen die JungsozialistInnen (Jusos) am zweiten Tag des SPD-Parteitags in Hannover, nachdem Parteichef Oskar Lafontaine tags zuvor Vertretern der streikenden Studierenden Rederecht in der Halle 2 des Messegeländes zugesagt hatte. Hie die Studierenden, die vehement mehr Geld für Lebensunterhalt und Universitäten forderten - komme es, woher es wolle -, da die Partei, die gerade dabei war, Sinn für Realismus unter Beweis zu stellen, und die sichtlich bemüht war, weder die Studierenden zu vergrätzen, noch ausgerechnet über die Frage der Studienfinanzierung zu streiten. Andrea Nahles, geboren 1970, hat im Januar ihr Studium abgeschlossen (Magister in Germanistik und Politik). Seit 1995 ist sie Bundesvorsitzende der Jusos, im nächsten Jahr will sie für den pfälzischen Wahlkreis Ahrweiler/Mayen in den Bundestag einziehen.

1997/49 Angela Marquardt

»Kniefall vor den WählerInnen«

Die Bundessprecherin der AG Junge GenossInnen spricht in Jungle World über das Wahlkampfthema Innere Sicherheit und die PDS. Die 26jährige ehemalige Hausbesetzerin mit den bunten Haaren war von 1991 bis 1997 Mitglied des Parteivorstands der PDS und zwei Jahre lang stellvertretende Parteivorsitzende. Auf dem Parteitag im Januar 1997 kandidierte sie nicht noch einmal für den Bundesvorstand. Zur Zeit arbeitet sie an einem Buch über Politik, neue Medien und Parteien. Ob sie, wie von Gregor Gysi und Lothar Bisky gewünscht, für den Bundestag kandidieren wird, hat sie noch nicht entschieden.

1997/48 Peter Neururer

»Ich wäre bereit, sofort wieder zu arbeiten - wenn’s paßt«

Einer von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen, weil seit dem 1. Oktober nicht mehr Trainer, ist Neururer. Im Gegensatz zu den anderen Arbeitslosen ist der Mann, der es als einer der wenigen geschafft hatte, den Moderator Friedrich Küppersbusch sprachlos zu machen: "Sie waren in der Jungen Union?" - "Ja. Und?", dank der vom 1. FC Köln gezahlten Abfindung finanziell ganz gut abgesichert.

Das könnte ein prima Leben bedeuten, mit weiten Reisen in Länder mit Palmen und weißen Stränden oder fruchtigen Drinks am heimischen Pool oder ausgedehnten Einkaufsbummeln in den Metropolen dieser Welt, oder was auch immer. Statt dessen sitzt Peter Neururer an jedem Wochenende auf Fußballtribünen herum und sammelt Daten für sein selbstentworfenes Computerprogramm, in dem alle Kicker erfaßt sind.

Denn wie die anderen Arbeitslosen auch, genießt er seine derzeitige Beschäftigungslosigkeit überhaupt nicht - Peter Neururer möchte "am liebsten sofort" wieder arbeiten. Zu welchen Konditionen, glaubt er selbst bestimmen zu können. Dabei war er bisher als Coach sehr umstritten: Als er vom 1. FC entlassen worden war, da waren die einen froh, "das blöde Großmaul" endlich los zu sein, die anderen ärgerten sich über den Weggang eines "großen Trainers". Der hat jetzt nichts zu tun und ist deswegen ziemlich gestreßt.

1997/47 Gerhard Zwerenz

»Ich beiße die Zähne zusammen, auch wenn es die dritten sind«

Zu den wenigen Schriftstellern, die es mit dem deutschen Parteiensystem und Parlamentarismus aufgenommen haben, gehört, neben Günter Grass und Stefan Heym, Gerhard Zwerenz. Für die PDS saß er, selbst parteilos, im Bundestag. Nun hat er genug von der Parlamentsarbeit, er wird nicht mehr kandidieren, sondern zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit zurückkehren.

Zwerenz, Jahrgang 1925, war Kriegsfreiwilliger, er desertierte 1944. Aus einfachen Verhältnissen stammend, studierte er in Leipzig Philosophie, unter dem Einfluß Blochs entfremdete er sich dem System. Politisch mißliebig geworden, übersiedelte er 1957 in die BRD, er wurde durch teils politische, teils pornographische Romane populär: "Casanova oder Der Kleine Herr in Krieg und Frieden" (1966), "Kopf und Bauch" (1971), "Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond" (1973). Aufsehen erregte er immer wieder durch seine antimilitaristischen Attacken ("Soldaten sind Mörder").

1997/46 Ludger Volmer

»Wir wollen diese Eindeutigkeit nicht«

"Lechts und rinks", heißt es seit Ernst Jandl, "kann man nicht velwechsern". Kann man aber doch, wenn man sich die wirtschaftspolitschen Programmentwürfe linker und rechter Bündnisgrüner ansieht, deren Vorstellungen von Mittelstandspolitik sich bis in die Formulierungen gleichen: Mitte September legte der Bundesvorstand einen Programmentwurf für die Bundestagswahl vor, der von der Parteirechten unm Joseph Fischer sogleich als "dürftig" und "Traumtänzerei" unter Beschuß genommen wurde. Vergangene Woche zog Fischers Freund Tom Koenigs mit einem eigenen wirtschaftspolitischen Papier nach.

Ludger Volmer, Jahrgang 1952, ist Gründungsmitglied der Grünen. Von 1990 bis 1994 war er Bundesvorstandsprecher der Partei, heute sitzt er - wie schon Ende der achtziger Jahre - für sie im Bundestag. Ludger Volmer ist Mitglied des "Babelsberger Kreises", in dem sich Angehörige der bündnisgrünen Parteilinken zusammengeschlossen haben.

1997/45 Dietrich Schulze-Marmeling

»Es gibt beim FC Bayern ein rechtes Milieu«

Der Club habe keine rechtsextremen Fans, betont das Management des FC Bayern München. Und wenn es eventuell doch Probleme gibt, dann waren es eben keine Bayern-Fans. Blättert man in den Fanzines herum, stellt sich das allerdings ganz anders dar. "Ajax ist bekannterweise ein 'Judenclub'", heißt es beispielsweise in dem Fanzine Sauerland-Echo. Von solchen Parolen distanziert sich der Verein offiziell, der politische Hintergrund nazistischer Symbole wird geleugnet. Als Lothar Matthäus auf dem Münchener Oktoberfest einen Niederländer anpöbelte ("Dich haben sie beim Adolf wohl vergessen"), war das nur ein Ausrutscher. Aber auch in der Vereinsspitze ist man für reaktionäre Parolen zu haben.

Dietrich Schulze-Marmeling, Autor des Buches "Die Bayern. Vom Klub zum Konzern" (Verlag Die Werkstatt), über die Strategie des um sein Image besorgten Vereins, den Rechtsextremismus seiner Fans herunterzuspielen.

1997/44 Barbara John

»Alle können nicht hierbleiben«

Barbara John ist seit 1981 Ausländerbeauftragte des Landes Berlin. In der Debatte nach der Rede von Günter Grass polemisierte der "Moral-Philosoph" (Bild) Alfred Grosser gegen Grass und rühmte die Gemeinsamkeiten zwischen Türken und Deutschen, die "trotz mancher Feuermorde" entstanden seien: "Teilweise durch die schöne Arbeit der Ausländerbeauftragten, insbesondere Barbara John in Berlin." Frau John hatte Ende September in der taz gefordert, eine Trennlinie "zwischen Zuwanderung plus Integration und Zuwanderung ohne Eingliederungschancen" zu ziehen.

1997/43 Robert Wyatt

»Ich habe mich nie für England interessiert«

Sechs Jahre sind vergangen, seit Robert Wyatt seine letzte Platte, "Dondestan", veröffentlicht hat. Mit "Shleep" (Hannibal/Rykodisc/RTD) legt Wyatt nun elf neue Songs vor. Waren die Texte auf den bisherigen Platten häufig geprägt von offenen Bekenntnissen zum Kommunismus, dreht sich "Shleep" um das Thema Schlaf. Mit dabei waren seine Frau Alfie Benge, Brian Eno, Phil Manzanera, Philip Catherine, Evan Parker, Annie Whitehead und Paul Weller.