Interview

2015/43 Irina Solomatina im Gespräch über Politik und Feminismus in Belarus

»Eine durchaus vorteilhafte Rivalin«

Die Präsidentschaftswahlen in Weißrussland vom 11. Oktober hat erwartungsgemäß Alexander Lukaschenko mit 83,49 Prozent der Stimmen gewonnen. Er amtiert seit 1994 und scheut kaum Mittel, um seine politischen Gegner im Zaum zu halten. Auf die vorigen Wahlen im Dezember 2010 folgten gegen diese repressive Maßnahmen und Gefängnisstrafen. Dieses Jahr trat erstmals eine Frau als Präsidentschaftskandidatin an: Tatjana Korotkewitsch landete mit 4,42 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Ihre Kandidatur veränderte den Wahlkampf, löste aber keine neue feministische Debatte im Land aus. Die Jungle World sprach darüber und über die politische Lage in Weißrussland mit Irina Solomatina aus Minsk. Die feministische Forscherin und Dozentin leitet die Abteilung für Gender Studies des European College of Liberal Arts in Belarus und rief das Projekt »Gendernyj marshrut« ins Leben.

2015/42 Alejandro Baer im Gespräch über Antisemitismus in Spanien

»Es gibt in Spanien kein Tabu«

Alejandro Baer ist Professor für Soziologie und leitet das Center for Holocaust and Genocide Studies an der Universität von Minnesota. Er forscht unter anderem zu gesellschaftspolitischen Folgen von Erinnerungsdiskursen und untersuchte den Antisemitismus in Spanien und anderen Ländern. Mit ihm sprach die Jungle World über Merkmale des spanischen Antisemitismus.

2015/40 Pedro Monaville im Gespräch über belgischen Kolonialismus und Erinnerungskultur

»Kolonialgeschichte ist schwach institutionalisiert«

1884/85 wurde auf der Kongokonferenz in Berlin die Grundlage für die koloniale Aufteilung Afrikas gelegt. Der belgische König Leopold II. erhielt damals ein riesiges Gebiet im Kongobecken als Privatbesitz, den sogenannten Kongo-Freistaat. Für die Kautschuk- und Elfenbeinproduktion ließ er die Bevölkerung mittels Zwangsarbeit brutal ausbeuten. Die Zahl der Todesopfer wird auf bis zu zehn Millionen geschätzt, was beinahe der Hälfte der dama­ligen Bevölkerung entspräche. Nach internationalen Protesten gegen die »Kongogräuel« sah sich Leopold II. 1908 gezwungen, seine Privatkolonie an den belgischen Staat zu übergeben. Doch auch in Belgisch-Kongo, wie das Land bis zur Unabhängigkeit 1960 hieß, herrschten Rassismus und ökonomische Ausbeutung. Die Jungle World sprach mit Pedro Monaville darüber, wie heute in Belgien mit der kolonialen Vergangenheit umgegangen wird. Der Historiker forscht zur belgischen Erinnerungskultur und der Geschichte des ­Kongo.

2015/39 Haifa Al-Hababi im Gespräch über Wahlen und Frauenrechte in Saudi-Arabien

»Wir machen so etwas zum ersten Mal«

Bis Mitte September konnten sich in Saudi-Arabien erstmals Frauen für die im Dezember geplanten Lokalwahlen als Kandidatinnen und Wählerinnen registrieren lassen. König Abdullah hatte diese Entscheidung vor vier Jahren angekündigt, sein Nachfolger König Salman setzte sie nun um. Die Befugnisse der Gemeinderäte sind begrenzt, zwei Drittel der Ratsmitglieder werden gewählt, der Rest wird ernannt. Die 36jährige Haifa al-Hababi ist eine der wenigen Frauen, die sich für die Wahlen aufstellen ließen. Sie hat zehn Jahre in London studiert und zur Rolle der Frau in der Architektur promoviert. Derzeit ist sie Dozentin an der Prinz-Sultan-Universität in Riad. Die Jungle World sprach mit ihr über die Situation von Frauen in Saudi-Arabien und die politische Relevanz der neusten Entwicklung.

2015/38 Helge Döhring im Gespräch über revolutionäre Gewerkschaften und Syndikalismusforschung

»Wir forschen selbst«

Vor kurzem ist die fünfte Ausgabe des Jahrbuchs des Instituts für Syndikalismusforschung (Syfo-Jahrbuch) erschienen. Das Institut will die Praxis der syndikalistischen Bewegung auf historisch-theoretischer Ebene begleiten. Helge Döhring ist einer seiner Begründer und hat zahlreiche Bücher und Studien zur Geschichte des Syndikalismus in Deutschland herausgegeben. Mit ihm sprach die Jungle World über die Arbeitsweise des Instituts sowie den historischen und gegenwärtigen Syndikalismus.

2015/37 Markus Beckedahl im Gespräch über Landesverrat und Netzfreiheit

»Die Kontrolle fehlt«

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen das Blog Netzpolitik.org wegen »Landesverrats« bestimmten im August ein paar Tage lang die Schlagzeilen. Einige Monate zuvor hatte das Blog Berichte über die Pläne des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Ausbau der Telekommunikationsüberwachung veröffentlicht (Jungle World 34/2015). Die Ermittlungen wurden eingestellt, die Arbeit der Journalisten geht weiter. Seit über zehn Jahren begleitet es die Netzpolitik in Deutschland und der EU. Mit dem Gründer von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, sprach die Jungle World über die Arbeit des Blogs und Bedrohungen für die Netzfreiheit.

2015/36 Michael Breitkopf im Gespräch über »Die Toten Hosen«, den Deutschrock und das 1 000jährige Jubiläum der Stadt Leipzig

»Die Fronten sind klar«

Die Toten Hosen gehören zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Bands. Sie haben 1982 als Punks in linken Jugendclubs begonnen und füllen inzwischen Stadien. Anlässlich der Feiern zum 1 000jährigen Jubiläum der Stadt Leipzig traten sie dort am 22. August auf der Festwiese vor 70 000 Fans auf. Zwei Tage später spielten sie im selbstverwalteten Kulturzentrum Conne Island. Dort sprach die Jungle World mit dem Gitarristen Michael Breitkopf, genannt Breiti, über Rassismus in Deutschland, die Gefahren der Vereinnahmung als erfolgreiche Band und den neuen deutschen Patriotismus.

2015/35

»Die Kartelle halten Sklaven«

In den letzten Augusttagen des Jahres 2010 gingen Meldungen über das Massaker von San Fernando in Tamaulipas um die Welt und machten das Ausmaß der Gewalt gegen Migranten in Mexiko deutlich. 72 Menschen aus Mittel- und Südamerika wurden vom Drogenkartell der Zetas ermordet. Fünf Jahre später gelten illegalisierte Migranten weiter als eine Haupteinnahmequelle des organisierten Verbrechens. In der Migrantenherberge von Saltillo, eine Tagesreise von der Grenze zu den USA entfernt, berichten Menschen aus den südlichen Nachbarländern täglich über das, was sie auf der Transitroute durch Mexiko erleben. Die Jungle World befragte den Leiter der Herberge, Alberto Xicoténcatl Carrasco, was sich an den Gewaltszenarien geändert hat.

2015/34 Ananya Azad im Gespräch über islamistischen Terror in Bangladesh

»Kritik kann nicht respektlos sein«

Dieses Jahr wurden in Bangladesh bereits vier Säkularisten wegen ihrer Veröffentlichungen im Internet ermordet. Sie wurden mit Macheten zerhackt und islamistische Gruppen bekannten sich zu den Taten. Auch der Schriftsteller und Blogger Ananya Azad wurde bedroht. Ende Juni ist er in Folge mehrerer Todesdrohungen von Islamisten nach Hamburg geflohen. Azad wurde 1990 in der Hauptstadt Dhaka geboren und bloggt seit mehreren Jahren für das religionskritische und humanistische Magazin Mukto-Mona. Vor wenigen Monaten hat er ein Buch über den Mangel an Frauenrechten in Bangladesh veröffentlicht. Mit ihm sprach die Jungle World über die Drohungen gegen ihn und den islamistischen Vormarsch in Bangladesh.

2015/33 Broden Giambrone im Gespräch über Transgender-Gesetze in Irland

»Es findet ein starker Wandel statt«

Das katholische Irland scheint sich langsam zu öffnen. Nachdem in einem Referendum im Mai die Mehrheit für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt hatte, verabschiedete das irische Parlament am 15. Juli ein neues Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität. Transpersonen in Irland können die Eintragung des Geschlechts auf der Geburtsurkunde nun ändern lassen, ohne zuvor zu einem Arzt gehen zu müssen, ein psychologisches Gutachten und geschlechts-angleichende medizinische Maßnahmen sind für die Änderung nicht mehr notwendig. Vorbilder für diese Gesetzesänderung sind Argentinien, Dänemark, Malta und Kolumbien. Broden Giambrone ist Geschäftsführer des Transgender Equality Network Ireland (TENI), das diese Entscheidung begrüßt und sich für eine Gesetzesänderung eingesetzt hat. Mit ihm sprach die Jungle World über die Situation von Transpersonen in Irland und ihren langen Kampf um Anerkennung.