Interview

2013/20 Makis Anagnostou im Gespräch über Krise und Arbeitskämpfe in Griechenland

»Uns blieb keine andere Wahl«

Im Februar 2013 erklärte die Belegschaft des griechischen Baustoffproduzenten Viomichaniki Metaleftiki (Vio.Me), ihre Fabrik stehe ab sofort unter der Kontrolle der Arbeiterinnen und Arbeiter und nehme die Produktion wieder auf (Jungle World 13/2013). Makis Anagnostou ist Vorsitzender der Basisgewerkschaft der von den Beschäftigten besetzten Fabrik in Thessaloniki. Mit ihm sprach die Jungle World über die Erfolge und Tücken der Selbstverwaltung.

2013/19

»80 Prozent aller Beschäftigten haben noch nie gestreikt«

Auch an diesem 1. Mai blieb die Revolution aus, aber immerhin hat die Zahl der Arbeitskämpfe in Deutschland zugenommen. Am 27. Februar hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung eine Arbeitskampfbilanz für das Jahr 2012 vorgelegt. Die Jungle World sprach mit dem Tarifexperten Heiner Dribbusch, dem Autor der Bilanz, über das gegenwärtige deutsche und globale Streikgeschehen.

2013/18 Rigoberta Menchú im Gespräch über den Genozid an der indigenen Bevölkerung in Guatemala

»Leugnen schützt die Mörder von damals«

In Guatemala ist das Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Diktator Efraín Ríos Montt (Jungle World 15/2013), dem Genozid an der indigenen Bevölkerung vorgeworfen wird, vorläufig abgebrochen worden. Eine politische Entscheidung, so scheint es. Erstmals hatte die indigene Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú den Genozid im Jahr 1999 vor den Nationalen Gerichtshof in Madrid gebracht. So bekannt die Menschenrechtsverteidigerin interna­tional ist, gilt sie im eigenen Land zumeist als »Verräterin«, die Guatemala vor den Vereinten Nationen in Verruf gebracht habe. Die Jungle World sprach mit ihr über die Bedeutung des Gerichtsverfahrens für die Aufarbeitung der Vergangenheit in Guatemala und die möglichen Verstrickungen des gegenwärtigen Präsidenten, Otto Pérez Molina, in die Verbrechen von damals.

2013/17 Bettina Brokemper im Gespräch über die Reaktionen auf den von ihr produzierten Film »Hannah Arendt« in Israel

»Sie war einfach zu früh«

Am 26. April wird in Berlin zum neunten Mal der Deutsche Filmpreis Lola vergeben. In sechs Kategorien nominiert ist der Spielfilm »Hannah Arendt« von Margarethe von Trotta (Regie) und Bettina Brokemper (Produktion). Brokemper studierte Ende der neunziger Jahre an der HFF München und ist seitdem national und international als Produzentin tätig. Hannah Arendts Buch »Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen« über den Eichmann-Prozess 1961 erntete in Israel, aber auch den USA und Deutschland, viel Kritik, da sie unter anderem Eichmann als Schreibtischtäter beschrieb, die Rolle der Judenräte bei der Vernichtung betonte und den Prozess mit einer Show verglich. Die Jungle World sprach mit Brokemper über den Film »Hannah Arendt« und die Reaktionen auf ihn in Israel nach dem dortigen Kinostart am 5. April.

2013/16 Anna Khvyl im Gespräch über die ukrainische Frauenbewegung und Feminismus in Osteuropa

»Es geht darum, nicht nur zu reagieren«

Am 9. April hat die All-Ukrainische Vereinigung Swoboda (Freiheit), die 2012 als erste rechte Partei seit der Staatsgründung ins ukrainische Parlament gewählt worden ist, einen Gesetzentwurf eingebracht, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellen soll. Die feministisch-separatistische Initiative Feminist Ofenzyva bereitet nun eine Protestaktion für den 1. Mai vor. Gegründet wurde die Gruppe 2010 von 20 Frauen in Kiew. Die Jungle World sprach mit der 28jährigen Aktivistin Anna Khvyl über die Frauenbewegung in der Ukraine und postsowjetische Protestkultur.

2013/15 Die honduranischen Band Zona Urbana

»Hier herrscht Krieg gegen die Bauern«

»Zona Urbana« steht auf Straßenschildern in ländlichen Gegenden Mittelamerikas, um eine nahe Siedlung anzukündigen. So nennt sich auch eine Reggaeton-Band aus Honduras. Die jungen Bandmitglieder kommen nicht aus dem städtischen Milieu, sondern aus Bauernfamilien, die in der Region Bajo Aguán um Land kämpfen. Dort spielt sich momentan der wohl blutigste Landkonflikt Mittelamerikas ab. In ihren Songtexten nehmen Zona Urbana Putschisten, Besitzer von Palmölplantagen und paramilitärische Gruppen aufs Korn. Die Musiker Wilmer Humberto, Edgar Aguilar und Harry Ornay sprachen mit der Jungle World über Militarisierung und Landgrabbing im Norden von Honduras.

2013/14 Amir Ramses über seinen Film »Jews of Egypt«, Zensur und Propaganda in Ägypten

»Jüdisches Leben ist quasi erloschen«

Amir Ramses (33) ist Regisseur und Co-Produzent des Films »Jews of Egypt«. Der Film behandelt antijüdische Maßnahmen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Ägypten, wie die (Zwangs-)Aussiedlungen von Jüdinnen und Juden in den späten fünfziger Jahren, und dort bis heute herrschende antijüdische Einstellungen. Über drei Jahre dauerte die Filmproduktion, viele jüdische Zeitzeuginnen und -zeugen, die nach Europa ins Exil gegangen sind, kommen zu Wort. Nach der Freigabe durch das ägyptische Kulturministerium war kurz vor der Kinopremiere überraschend ein Verbot des Films erfolgt. Das wurde national und international kritisiert. Der Film wurde wieder frei­gegeben und lief Ende März an. Mit Ramses sprach die Jungle World in Kairo über antijüdische Propaganda und Zensur in Ägypten.

2013/13 Habib Kazdaghli im Gespräch über Salafisten in Tunesien

»Es geht nicht nur um den Niqab«

Am 28. März soll der Prozess gegen Habib Kazdaghli, den Dekan der geisteswissenschaftlichen Fakultät von Manouba, nahe Tunis, fortgeführt werden. Ihm wird vorgeworfen, eine Studentin geohrfeigt zu haben, die im Rahmen einer salafistischen Kampagne für die Durchsetzung des Niqab (Gesichtsschleier) in den Vorlesungen im März 2012 in sein Büro eingedrungen war. Ein ärztliches Attest, das einige Stunden nach dem Vorfall erstellt wurde, bescheinigte ihr nach Medienberichten »Spuren einer Ohrfeige«, eine eigenartige Diagnose. Kazdaghli streitet den Vorwurf ab. Die Anklage wurde voriges Jahr von Körperverletzung auf Körperverletzung im Amt verschärft, so dass ihm nunmehr fünf Jahre Haft drohen. Die Fakultät von Manouba, bereits unter Ben Ali ein Ort des Widerstands, ist mittlerweile ein Symbol für die Opposition gegen den Druck der Salafisten. Eine Verurteilung des Dekans wäre für diese ein Sieg mit hoher Symbolkraft. Mit Kazdaghli, einem langjährigen Mitglied der ehemaligen Kommunistischen Partei Tunesiens (seit 1993 Bewegung Ettajdid), sprach die Jungle World über die Bedeutung und die Folgen der salafistischen Kampagne.

2013/12 Yacine Zaid im Gespräch über Erwerbslosenproteste in Algerien

»Ein Hungerlohn«

Vergangene Woche demonstrierten in Ouargla, Laghouat und anderen Städten im Süden Algeriens Tausende Menschen gegen die Beschäftigungspolitik der Regierung. Aufgerufen hatte die Erwerbslosen­organisation CNDDC (Nationales Komitee für die Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen). Die Jungle World sprach mit Yacine Zaid über die Gründe für den Protest und das repressive Vorgehen der Regierung in Algerien. Der 42jährige lebt in Laghouat. Er ist Blogger und Mitglied der unabhängigen Gewerkschaft SNAPAP, die bislang nur im öffentlichen Dienst existiert, sich aber auch um unabhängige Gewerkschaften im Privatsektor sowie die Organisation von Arbeitslosen bemüht. Zaid beteiligt sich auch an den deren Protesten.

2013/11 Mauricio Weibel im Gespräch über die Geheimdienste und die Aufarbeitung der Militärdiktatur in Chile

»Chile steht noch viel bevor«

Vor 40 Jahren errichtete das Militär in Chile eine Diktatur, deren Folgen bis heute spürbar sind. Der Journalist Mauricio Weibel wollte das Leben internationaler Korrespondenten zur Zeit der Militärdiktatur (1973–1990) dokumentieren. Bei seinen Recherchen stieß er auf ein Archiv der Geheimdienste. Mit seinem Kollegen Carlos Dorat verarbeitete er das Material in dem Buch »Asociación ilícita. Los archivos secretos de la dictatura« (Widerrechtlicher Zusammenschluss. Die Geheim­archive der Diktatur). Einige Monate nach der Veröffentlichung im Oktober 2012 kam es bei Weibel und weiteren Journalistinnen und Journalisten zu Einbrüchen, Verfolgungen und Drohanrufen. Weibel vermutet, dass es sich um Einschüchterungsversuche wegen der journalistischen Recherchen handelt. Seine Familie und er leben auf unbestimmte Zeit unter Polizeischutz. Mit der Jungle World sprach er über seine Arbeit und seinen Verdacht.